Pro­zess gegen „Sturm Wiking“

August-Okto­ber 2011, Bre­men. Am 10. Okto­ber 2011 geht vor der Staats­schutz­kam­mer des Bre­mer Land­ge­richts der Pro­zess um die Gruppe „Sturm Wiking“ zuende. Sie­ben Bre­mer Nazis waren ange­klagt, ein „art­ge­mä­ßes freies Deut­sches Reich“ schaf­fen und das ganze mit Sach­be­schä­di­gun­gen beschleu­ni­gen zu wol­len. Dies erfülle laut Polit­staats­an­walt Picard den Tat­be­stand der Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung. Bei den Ange­klag­ten han­delt es sich um Nazis aus dem Bre­mer Raum, nament­lich Niklas O., Ben­ja­min v. R., Tabea K., Nils K., Daniel K. und Gerold sowie Mar­kus S. Die bei­den letz­te­ren wur­den wegen der ver­such­ten Grün­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung, gemein­schaft­li­cher Sach­be­schä­di­gung, Ver­stoß gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz, Bei­hilfe zur Volks­ver­het­zung und schwe­ren Land­frie­dens­bruchs nach Jugend­straf­recht zu Geld­stra­fen zwi­schen 500 und 1000 Euro ver­ur­teilt (aus­ge­setzt zur Bewäh­rung). Die rest­li­chen fünf erhiel­ten z.T. Ver­war­nun­gen, Geld­stra­fen und Arbeitsauflagen. 

Im groß­an­ge­leg­ten Pro­zess ging es um meh­rere Straf­ta­ten und Vor­fälle, dar­un­ter das Wer­fen von Fla­schen auf Poli­zis­ten, das Betrei­ben einer Home­page mit volks­ver­het­zen­den Inhal­ten sowie einen geplan­ten Angriff auf eine anti­fa­schis­ti­sche Demons­tra­tion in Bre­men-Blu­men­thal im Som­mer 2008. Am Rande der Demo wur­den damals meh­rere Nazis von der Poli­zei fest­ge­setzt die Knall­kör­per, Fahr­rad­ket­ten, Mund­schutz, Pfef­fer­spray und Hand­schuhe dabei hat­ten. Damals natür­lich mit von der Par­tie: die Schibblocks.

Haupt­an­kla­ge­punkt im Ver­fah­ren war jedoch die Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und damit ver­bun­dene Straf­ta­ten. So gab es im Jahr 2008 in Bre­men eine Serie von Anschlä­gen auf anti­fa­schis­ti­sche Ein­rich­tun­gen des oben genann­ten Krei­ses, wie z. B. auf das Lidice-Haus, den Info­la­den und auch linke WGs. Häu­fig wur­den dabei Nazi-Schmie­re­reien hin­ter­las­sen, dar­un­ter auch das Kür­zel „C18“ (Com­bat 18). In der Ver­hand­lung wurde diese Anschlags­se­rie ins­ge­samt aber kaum zum Thema gemacht, ledig­lich der Anschlag auf das Lidice-Haus war Gegen­stand des Pro­zes­ses. Hier warf eine Gruppe Nazis am 22. Februar 2008 mit Stei­nen meh­rere Schei­ben ein, Folge war ein Sach­scha­den von meh­re­ren zehn­tau­send Euro. Die Angrei­fer hat­ten sich zuvor auf der Par­zelle der Fami­lie Schib­block im Lui­sen­weg getrof­fen. Interne Infor­ma­tio­nen führ­ten die Ermitt­lungs­be­hör­den damals recht schnell auf die rich­tige Spur, so dass es bereits am 12. März 2008 zu meh­re­ren Haus­durch­su­chun­gen bei den ver­däch­tig­ten Nazis kam. Dabei wurde u.a. die Sat­zung einer Gruppe namens „Sturm Wiking“ gefunden.

Laut den Ange­klag­ten war diese Kame­rad­schaft aber nicht über einen Grün­dungs­ver­such hin­aus­ge­kom­men. Den bei­den Schib­blocks zufolge sollte diese Gruppe als Gegen­ge­wicht zur NPD-Jugend­gruppe um Sascha Humpe inner­halb der NPD gegrün­det wer­den, weil ihnen die­ser zu „blöd und unent­schlos­sen“ wäre. Getrof­fen hatte sich der „Sturm Wiking“ wie­derum im Rah­men des regel­mä­ßi­gen NPD-Stamm­tischs im „Wal­ler Landheim“.

Nazi-Schmiererei auf kaputter Scheibe des Bremer Infoladen

Nazi-Schmie­re­rei auf kaput­ter Scheibe des Bre­mer Infoladen

Beim im August 2011 begon­ne­nen Pro­zess und den vor­he­ri­gen Ver­neh­mun­gen durch den Staats­schutz haben die Ange­klag­ten z.T. aus­führ­li­che Ein­las­sun­gen abge­ge­ben und sich mit­un­ter gegen­sei­tig belas­tet. Die Aus­sa­gen beinhal­te­ten z. B. wer die Sat­zung ver­teilte, wer die Idee für den Anschlag auf das Lidi­ce­haus hatte und wer alles mit dabei war. Alle Nazis ver­such­ten also so gut es ging den eige­nen Arsch zu retten.

Von Sei­ten der Schib­blocks und ihrer Ver­tei­di­ger wurde ver­sucht, die Abläufe und Gescheh­nisse her­un­ter­zu­spie­len – man habe nur locker bei­sam­men geses­sen und gequatscht, sei spon­tan los­ge­fah­ren und es war alles sowieso nur eine Spie­le­rei, war nicht so ernst gemeint und man sei ja auf dem Weg der Bes­se­rung,  aus der Par­tei raus, usw. Halt all das was Rich­ter und Staats­an­wälte und die Jugend­ge­richts­hilfe in einer sol­chen Situa­tion hören wollen.

Der Ver­tei­di­ger von Mar­kus S., Rechts­an­walt Tho­mas Staab aus Bre­men, ist auch kein Unbe­kann­ter. Er betei­ligte sich schon 2009 am aber­wit­zi­gen ras­sis­ti­schen Pro­jekt „Mein deut­scher Fuss­ball­ver­ein“, mit dem (nach der Zah­lung von knapp 50 Euro durch nur 30.000 Mit­glie­der) ein unter­klas­si­ger deut­scher Fuß­ball­ver­ein gekauft und aus­schließ­lich mit deut­schen Spie­lern „groß“ gemacht wer­den sollte. Gegen­über der Presse gab sich Thors­ten Schib­blocks alter Bekann­ter aus Zei­ten des Wer­der-Fan­clubs „Her­manns­burg“ damals noch ahnungs­los und über­rascht über den Nazi-Back­ground des Projektes.

Abschlie­ßend lässt sich fest­hal­ten, dass im unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit (und Unter­stüt­zung von) der NPD Bre­men erheb­li­che Über­griffe und Straf­ta­ten geplant wor­den sind und auch von dort durch­ge­führt wur­den. Die Schib­block-Brü­der gehö­ren zu den aktivs­ten Nazis in Bre­men, sie sind beson­ders im Bereich der Anwer­bung von Nach­wuchs tätig und seit spä­tes­tens 2006 in der hie­si­gen NPD aktiv. Es ist also so, dass ein Teil der Kreise, die um 2008 Anschläge in Bre­men durch­ge­führt haben, vor Gericht stand, aber eben nur ein Teil – die Gesamt­heit der faschis­ti­schen Anschlags­se­rie war kein Thema. Ins­be­son­dere den Schib­block-Brü­dern wurde für in den letz­ten Jah­ren von ihnen ange­sam­mel­ten Straf­ver­fah­ren und Akti­vi­tä­ten der Pro­zess gemacht, viel her­aus­ge­kom­men ist letzt­end­lich aller­dings nicht.

Im Rah­men des Pro­zes­ses wurde trotz­dem noch ein­mal deut­lich, mit wel­chen Dumpf­ba­cken und Hohl­bir­nen man es doch teil­weise zu tun hat. Die meis­ten der Ange­klag­ten ent­spre­chen dem kli­schee­haf­ten jugend­li­chen Mit­läu­fer-Poten­tial für kleine Möch­te­gern­füh­rer wie die Schib­blocks. Die „klei­ne­ren Fascho-Fische“ sind mitt­ler­weile aus der akti­ven Nazi­szene raus, z.T. in Aus­stei­ger­pro­gram­men gelan­det und haben ver­nünf­ti­gere soziale Struk­tu­ren gefun­den. Aus die­sem Grund ver­öf­fent­li­chen wir an die­ser Stelle auch nicht alle voll­stän­di­gen Namen. Soll­ten sie sich aller­dings noch ein­mal in rech­ten Zusam­men­hän­gen bli­cken las­sen gilt wie gehabt: Good Night White Pride!

Spielte seltsamerweise keine Rolle im Prozessverlauf: Michel-Rene Kruse (hinten, nach dem missglückten Angriff auf die Antifa-Demo in Bremen-Blumenthal 2008)

Spielte selt­sa­mer­weise keine Rolle im Pro­zess­ver­lauf: Michel-Rene Kruse (hin­ten, nach dem miss­glück­ten Angriff auf die Antifa-Demo in Bre­men-Blu­men­thal 2008)

Kruses unpolitische Rückentätowierung

Kru­ses unpo­li­ti­sche Rückentätowierung