Bre­mer Ham­mers­kins orga­ni­sie­ren bun­des­wei­tes Nazitreffen

23. Februar 2013, Wer­la­burg­dorf. Am Vor­mit­tag des 23. Februar 2013 fin­det im Dorf­ge­mein­schaft­haus von Wer­la­burg­dorf bei Wol­fen­büt­tel ein soge­nann­tes „Natio­nal Offi­cers Mee­ting“ (NOM) statt, ein bun­des­wei­tes Tref­fen der deut­schen Ham­mers­kins. Zu die­sem Tref­fen erschei­nen ca. 40 Ham­mers­kins der deut­schen Divi­sion, die ins­ge­samt 100–150 Voll­mit­glie­der umfasst, durch ihr Umfeld aber natür­lich zah­len­mä­ßig noch etwas grö­ßer ist. Anmie­ter der als Fami­li­en­feier getarn­ten Zusam­men­kunft ist der in Wer­la­burg­dorf (Land­kreis Wol­fen­büt­tel) lebende Den­nis Kie­bitz. Der im Ort als Nazi bekannte Kie­bitz prahlt damit, das Gebäude betreits zum vier­ten Mal ange­mie­tet zu haben. Nach­dem am Nach­mit­tag Jour­na­lis­ten und Poli­zei vor Ort erschei­nen, wird der Miet­ver­trag durch die Gemeinde auf­ge­ho­ben. Zwei Stun­den danach ver­las­sen die Ham­mers­kins dann das Gelände. 

Dennis Kiebitz (Mitte) beim Bus-Pulling

Den­nis Kie­bitz (Mitte) beim Bus-Pulling

Lies mal wer da hämmert!

Sol­che regel­mä­ßig statt­fin­den­den Tref­fen wer­den von den regio­na­len Able­gern (Chap­tern) der inter­na­tio­nal orga­ni­sier­ten Ham­mers­kins ver­an­stal­tet. Der Aus­rich­ter des dies­ma­li­gen Tref­fens ist das Chap­ter Bre­men, wel­ches außer dem Bun­des­land Bre­men aber auch Nie­der­sach­sen und große Teile Nord­rhein-West­fa­lens umfasst. Kopf des Bre­mer Chap­ters ist der 39-jäh­rige Marc Gaitzsch, der in Bre­men-Haben­hau­sen bei „Lem­för­der Metall­wa­ren Inter­na­tio­nal“ arbei­tet. Gaitzsch ist außer­dem Mit­glied der Bre­mer Nazi­band „Hetz­jagd“.

Auch Gaitzschs „Hetzjagd“-Kamerad Sebas­tian All­wardt (31 Jahre) ist bei den Ham­mers­kins Mit­glied. All­wardt arbei­tet aktu­ell als Brauer bei Beck’s in Bre­men und ist seit ca. 2005 in der regio­na­len Nazi­szene aktiv: so han­delte er jah­re­lang mit indi­zier­ter Nazi­mu­sik und tauchte zusam­men mit Andreas Hack­mann immer wie­der im Rah­men von Anti-Antifa-Akti­vi­tä­ten auf.

Wei­tere Mit­glie­der sind die Lili­en­tha­ler Andre Dre­scher (43 Jahre, Farb­ver­tei­lungs­tech­ni­ker bei der Bre­mer Male­rei Harms) sowie seine 40-jäh­rige Lebens­ge­fähr­tin Bianca Mül­ler. Der 35-Jäh­rige Dirk Kliewe, eben­falls füh­ren­des Mit­glied des Bre­mer Chap­ters, kommt dage­gen aus Cux­ha­ven. Er zog vor eini­gen Jah­ren gemein­sam mit sei­ner Frau Kat­rin Kre­gelin aus Uecker­münde (Meck­len­burg-Vor­pom­mern) nach Cux­ha­ven, wo er sich aktu­ell wie schon an sei­nem alten Wohn­ort wie­der in der NPD- und Kame­rad­schafts­szene engagiert.

In Nord­rhein-West­fa­len ist in Bochum eine grö­ßere dem Bre­mer Chap­ter zuge­hö­rige Gruppe Ham­mers­kins zu fin­den, ein wei­te­res Mit­glied, Hen­drik Stiewe, wohnt in Bie­le­feld. Stiewe ist in der bun­des­wei­ten Rechts­rock­szene kein Unbe­kann­ter, der Geschichts­stu­dent betreibt unter ande­rem das Nach­fol­ge­pro­jekt des „H8Rock-Ver­sand“ namens „Wewels­burg Records“ (Label und Shop).

Alle Mit­glie­der des Chap­ters betei­li­gen sich zwar an diver­sen Akti­vi­tä­ten der gesam­ten Nazi­szene (Auf­mär­sche, Ver­an­stal­tun­gen, Aktio­nen, Kon­zerte...), tre­ten dabei aber sel­ten offi­zi­ell als Ham­mers­kins auf. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand wer­den sie immer wie­der für ihr eli­tä­res, arro­gan­tes Ver­hal­ten und ihren Füh­rungs­an­spruch kri­ti­siert. Frauen haben dabei kei­nen Mit­glieds­sta­tus bei den Ham­mers­kins, sie sind offi­zi­ell nur als Anhäng­sel ihrer Männer/Freunde bei Orga­ni­sa­ti­ons­ak­ti­vi­tä­ten zugelassen.

Marc Gaitzsch (Bremen)

Marc Gaitzsch (Bre­men)

Dirk Kliewe (Cuxhaven)

Dirk Kliewe (Cux­ha­ven)

Andre Drescher (Lilienthal)

Andre Dre­scher (Lili­en­thal)

Sebastian Allwardt (Bremen) und Hendrik Stiewe (Bielefeld)

Sebas­tian All­wardt (Bre­men) und Hen­drik Stiewe (Bie­le­feld)

Geschichte des Bre­mer Hämmerchens

Das bereits 1994 gegrün­dete Bre­mer Ham­mers­kin-Chap­ter gilt als eines der ältes­ten im gesam­ten Bun­des­ge­biet. Bis Anfang der 2000er Jahre grup­pierte sich die Bre­mer Gruppe um die dienst­äl­teste Bre­mer Nazi­band „End­stufe“, das Label/Versand „Hanse-Records“ und das Fan­zine „Der Skin­head“. Hanse-Records war bis um das Jahr 2001 ein Gemein­schafts­pro­jekt von End­stufe-Sän­ger Jens Brandt und dem Grün­dungs­mit­glied des Bre­mer HS-Chap­ters Stef­fen Rolfs. Rolfs zählte bereits 1985 zu den Grün­dungs­mit­glie­dern der Bre­mer Orts­gruppe der 1995 ver­bo­te­nen „Frei­heit­li­chen Deut­schen Arbei­ter­par­tei“ (FAP). In bei­den Orga­ni­sa­tio­nen erwies er sich jedoch als unzu­ver­läs­sig und bediente sich Insi­dern zufolge gerne aus sämt­li­chen Kas­sen. Rolfs betrieb spä­ter in Bre­men-Fin­dorff eine Gast­stätte, in der sich auch wie­der­holt Ham­mers­kins tra­fen. Mitt­ler­weile ist er Mit­glied der Rocker­truppe „Wild Vikings“ und ver­an­stal­tet Kriegs­spiele auf einer Air­soft-Anlage bei Rotenburg.

Ein wei­te­res Grün­dungs­mit­glied der Bre­mer Ham­mers­kins ist Mathias „Matze“ Kozma, seit vie­len Jah­ren Bas­sist von End­stufe und zuvor bereits lang­jäh­ri­ges Mit­glied der eben­falls aus Bre­men stam­men­den Nazi­band „End­lö­ser“ (vor­mals „Schlacht­ruf“).

Um die Jahr­tau­send­wende kam es zu einem Bruch inner­halb des Bre­mer Chap­ters, infol­ge­des­sen sich die Älte­ren um End­stufe aus den Ham­mers­kins­struk­tu­ren zurück­zo­gen. Inzwi­schen haben sich die meis­ten von ihnen in der „End­stufe-Crew“ gesam­melt, einem wil­den Sam­mel­su­rium klas­si­scher Nazi-Glat­zen aller Alters- und IQ-Klas­sen, die Sup­port­ertruppe der Band „End­stufe“.

Andreas Lohei (jetzt Köln)

Andreas Lohei (jetzt Köln)

Der neue Kern der zwei­ten Gene­ra­tion der Bre­mer Ham­mers­kins bil­dete sich ab 1999/2000 um die Band End­lö­ser. End­lö­ser-Sän­ger Andreas „Lolli“ Lohei wurde im Zuge des­sen neuer „Chef“ des Bre­mer Chap­ters und seine Band eine der Gali­ons­fi­gu­ren der bun­des- und euro­pa­wei­ten Ham­mers­kins. Um den regio­na­len Kern von ca. 10 Nazis bil­de­ten sich damals in meh­re­ren Orten und Städ­ten im Nord­wes­ten Nie­der­sach­sens kleine Able­ger und Sym­pa­tis­an­ten­grup­pen. Im Bre­mer Raum orga­ni­sierte das Bre­mer Chap­ter einige grö­ßere Nazikon­zerte, auch auf allen regio­na­len Auf­mär­schen um die Jahr­tau­send­wende war eine grö­ßere Abord­nung der Ham­mers­kins zu finden.

Nach­dem Andreas Lohei 2005 aus beruf­li­chen Grün­den nach Köln zog und End­lö­ser in seine Ein­zel­teile zer­fiel, wurde es eine Zeit­lang ruhi­ger um die Bre­mer Ham­mers­kins. In der Fol­ge­zeit ver­suchte Marc Gaitzsch die Füh­rungs­rolle zu über­neh­men und die Struk­tu­ren zu reor­ga­ni­sie­ren. Mitt­ler­weile ist das Ver­hält­nis zwi­schen Lohei und der neuen Gene­ra­tion der Bre­mer HS äußerst schlecht, Lohei bezeich­net „seine“ reor­ga­ni­sier­ten End­lö­ser wei­ter­hin als Ham­mers­kin-Band und ver­wen­det auch offi­zi­elle Ham­mers­kin-Sym­bo­lik, was ihm eine deut­li­che Unter­las­sungs-Ansage sei­tens der „ech­ten“ Bre­mer HS’­ler um Gaitzsch einbrachte.

Zwei zen­trale Figu­ren (All­wardt und Gaitzsch) des Bre­mer Chap­ters grün­de­ten 2003 die Band „Hetz­jagd“, die noch im glei­chen Jahr ihr ers­tes Stück auf dem Ham­mers­kin-Sam­pler „Sta­tus Quo Ger­ma­nia“ ver­öf­fent­lich­ten. Mitt­ler­weile hat Hetz­jagd zwei wei­tere CDs herausgebracht.

Logo der Bremer HS-Band Hetzjagd

Logo der Bre­mer HS-Band Hetzjagd

Das Bre­mer Ham­mers­kin-Chap­ter gilt heute wie­der als eines der akti­ve­ren unter den 10 Unter­or­ga­ni­sa­tio­nen im Bun­des­ge­biet, seine unge­fähr 10 Haupt­ak­teure sind zwar geo­gra­fisch über eine gewisse Flä­che ver­teilt, aber den­noch gut ver­netzt. Sie sind bei vie­len über­re­gio­na­len Ham­mers­kin-Ver­an­stal­tun­gen zu fin­den, sowohl bei Kon­zer­ten im Ham­mers­kin-eige­nen „Thing­haus“ in Gre­ves­müh­len als auch bei euro­pa­wei­ten Ver­an­stal­tun­gen wie dem „Euro­pean Ham­mer­fest“ Anfang 2012 in Frank­reich.

Das Umfeld der Ham­mers­kins, also Sym­pa­thi­san­ten, nicht für eine feste Mit­glied­schaft Geeig­nete und sons­tige Kra­ken, sam­melt sich in der soge­nann­ten „Crew 38“. Unter die­sem Label ist auch in Cux­ha­ven eine kleine Gruppe aktiv, als Vor­tän­zer gilt hier der 29-jäh­rige Tim S. Er gehört seit meh­re­ren Jah­ren zum Kern der Cux­ha­ve­ner Nazi­szene und war wie­der­holt auf Nazi­auf­mär­schen in Nord­deutsch­land anzutreffen.

Ham­mer­mä­ßi­ges Fazit

Zusam­men­fas­send lässt sich fest­hal­ten, dass der Ein­fluss der sich eher bedeckt hal­ten­den Bre­mer Ham­mers­king­ruppe rela­tiv gering ist. Grö­ßere lokale Akti­vi­tä­ten wer­den aus Angst vor Repres­sa­lien jeg­li­cher Art ver­mie­den, Schlud­rig­keit und Dumm­heit sind wei­tere Fak­to­ren die ihre beschränkte Wir­kung bedingen.

Den­noch ver­fügt das Bre­mer Chap­ter über einen hohen Orga­ni­sie­rungs­grad und pro­fi­tiert von lang­jäh­ri­gen Mit­glied­schaf­ten eines über­schau­ba­ren har­ten Kerns. Sie sind gut in die Ham­mersk­in­struk­tur ein­ge­bun­den und sind damit Teil einer der weni­gen ver­blie­be­nen bun­des­wei­ten Nazi­struk­tu­ren. Ihre Arbeit ist nicht vor­ran­gig auf eine breite poli­ti­sche Außen­wir­kung aus­ge­rich­tet, sie ver­ste­hen sich als eli­täre Struk­tur inner­halb der Nazi­be­we­gung, die sich eher im Hin­ter­grund hält.

Es wird des­halb auch in Zukunft dar­auf ankom­men, sich nicht auf die Unfä­hig­keit die­ser Per­so­nen zu ver­las­sen, son­dern im Kampf gegen Nazi­struk­tu­ren wie die hier beschrie­be­nen selbst wach­sam zu blei­ben und aktiv zu werden.