Rückblick: Am Samstag, 15. Februar 2020, fand im Bremer Jugendzentrum in der Friesenstraße ein Konzert statt. Um kurz nach Mitternacht bemerkten Besucher:innen zufällig eine starke Rauchentwicklung im ersten Stock des Gebäudes. Das Gebäude wurde geräumt und die Feuerwehr gerufen, die den Brand löschen konnte. Es handelte sich um Brandstiftung, die Täter:innen müssen sich beim Legen des Brands in den Räumlichkeiten der Friese aufgehalten haben.
Nur durch viel Glück wurden bei dem Brandanschlag keine Menschen schwer verletzt oder getötet. Mehrere Personen litten danach jedoch unter Rauchvergiftungen und einige haben bis heute mit Symptomen einer Post-Traumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu kämpfen. Das Jugendzentrum war durch die immensen Brandschäden monatelang nicht nutzbar und musste aufwändig renoviert werden.
Nach über anderthalb Jahren wollen wir in diesem Text Informationen zur Tat zusammentragen, den Kreis mutmaßlicher Täter beleuchten und Verbindungen zu Nazistrukturen im Raum Bremen ziehen.
Erste Spurensuche: An der Tür des Raums, in dem der Brand ausbrach, sowie auf einem Plakat, das erst am Konzertabend an die Haustür der Friese gehängt wurde, fanden sich nach dem Brand Aufkleber der Nazipartei „Die Rechte“ sowie einer ominösen „Gruppe 11“ (siehe unten). Die Annahme drängt sich auf, dass diese von den Brandstifter:innen angebracht wurden, rechte Aufkleber sind in der Friese ansonsten alles andere als an der Tagesordnung.
Der abgebildete „Die Rechte“-Aufkleber nennt Markus Walter als Verantwortlichen im Sinne des Presserechts. Walter (ehemals wohnhaft in Verden, jetzt in der Region Dortmund) ist im Bundesvorstand von „Die Rechte“ aktiv und als Sprengstofffreund und militanter Neonazi hinlänglich bekannt.
Die „Gruppe 11“ ist keine Gruppe im herkömmlichen Sinne, sondern der Name einer (für Außenstehende recht absurd anmutenden) Mobbingkampagne von Nazis gegen den Nazi Andreas Grießbach (Goslar). Die rechten „Fans“ der Kampagne kokettieren offenbar nicht nur mit Rechtsterrorismus (siehe Aufkleber), sondern schreiten auch zur Tat.
Im Blick: Täterkreis. Der Bremer/Bremerhavener Landesverband von „Die Rechte“ formierte sich im Sommer 2018 unter Anleitung Bremer und Dortmunder „Parteiprominenz“ neu. Der Bremerhavener Nazi Alexander von Malek übernahm die Führung der Gruppe und begann mit seinen Getreuen bald, lokale Antifas und Linke zu terrorisieren. Nach einem kurzen Höhenflug und einigem Gegenwind rutschte die Truppe jedoch bald wieder in Richtung Bedeutungslosigkeit ab. Von Malek und seine Bremerhavener Kameraden sind zwar aktive „Die Rechte“-Nazis, als Täter aber äußerst unwahrscheinlich, da sie viel im Rampenlicht standen und beim Konzert sehr wahrscheinlich schnell erkannt worden wären.
Etwa zeitgleich zu den Vorkommnissen in Bremerhaven fand sich in Bremen die rechte Männerclique „Phalanx 18“ zusammen, die hauptsächlich im Viertel unterwegs war auf der Suche nach Stress (klick). Zwei der damaligen Akteure: Nico Jürgensmeier und Dave Sander.
Nico Jürgensmeier (wohnhaft in Lemwerder) nimmt schon seit längerem an Veranstaltungen von „Die Rechte“ teil und ist mit den regionalen Partei-Akteuren bestens bekannt. Dave Sander trat dagegen bei „Phalanx 18“ das erste Mal sichtbar in Erscheinung. Seitdem fallen die beiden häufig zusammen auf und sind regelmäßige Gäste auf rechten Events. So z.B. bei der Kundgebung der Nazi-Kleinstpartei am 24.01.2020 in Bremerhaven oder bei Kundgebungen von Corona-Leugner:innen in Bremen, aber auch in Berlin.
Mit Jürgensmeier und Sander gibt es also zwei Personen aus dem „Die Rechte“-Umfeld, die schon mit „Phalanx 18“ auf der Suche nach Gewalt gegen Linke im Viertel unterwegs waren und von denen einer (Sander) wenige Minuten Fußweg entfernt von der Friese wohnt.
Ein weiterer Nazi im Kontext der regionalen „Die Rechte“-Struktur ist Jan Engelke aus Dörverden. Gemeinsam mit Jürgensmeier besucht er seit Jahren Nazi-Veranstaltungen, beide teilen auch eine Faszination für die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck (klick). Engelke selbst ist ein politischer Zögling von Markus Walter und wird, genau wie die anderen bisher genannten Personen, als gewaltsuchend beschrieben.
Zum kleinen Kreis um Jürgensmeier gehört auch der Bremer Martin Bock.
Der bereits erwähnte Markus Walter, der auf den „Die Rechte“-Aufklebern in der Friese als presserechtlich Verantwortlicher genannt wird, war in jüngster Vergangenheit viel für die Nazi-Partei unterwegs. So auch im Bremer Umland, in Bremerhaven, Braunschweig oder Verden. Es ist also nicht weit hergeholt, dass die Aufkleber von ihm zu den Brandstiftern gelangten.
Der zweite Aufkleber auf dem Plakat vom Konzertabend war wie erwähnt von der „Gruppe 11“ (s.o.). Zentrale Figur hinter „Gruppe 11“ ist Johannes Welge aus Braunschweig, seit Jahren ein Hauptakteur der dortigen „Die Rechte“-Ortsgruppe. Auf Gesamt-Niedersachsen bezogen war Welge um das Jahr 2020 einer der auffälligsten und umtriebigsten „Die Rechte“-Nazis. Er ist hinlänglich bekannt für Drohungen und Gewalt gegen politische Gegner:innen (Link eins, Link zwei), hauptsächlich im Bereich Braunschweig, wo er offenbar wegen Brandstiftung im Fokus der Behörden steht.
Welge organisierte zudem nicht nur die (letztendlich verbotene) „Die Rechte“-Kundgebung am 1. Mai 2020 am Bremer Hauptbahnhof, sondern war nur wenige Monate später auch mit seiner Entourage aus gewalttätigen Dumpfbacken bei einer Kundgebung von „Die Rechte“ in Bremerhaven anwesend.
Dass Welge und Jürgensmeier sich persönlich kennen, steht außer Frage, beide nehmen regelmäßig gemeinsam an bundesweiten „Die Rechte“-Aktivitäten teil. Die in Kreisen von „Die Rechte“ intern gelebte Mobbingkampagne der „Gruppe 11“ sowie die Organisation von Kundgebungen und Aufmärschen rücken Welge im Kontext des Brandanschlags mitten in den Kreis mutmaßlicher Täter.
Ein Zufall der keiner sein kann. Nur einige Wochen nach dem Brandanschlag klebte auf dem Hausnummernschild von Dave Sanders’ Wohnung in der Bohnenstraße im Bremer Viertel ein Aufkleber der „Gruppe 11“. Ein solcher Aufkleber klebte auch in der Brandnacht in der Friese. Außer an diesen beiden Fundorten wurde er bislang nirgendwo in Bremen gesehen. Dass es sich hierbei um einen Zufall handelt, halten wir für ausgeschlossen.
1 und 1 zusammenzählen! Die oben beschriebene Gruppe von Nazis taucht seit spätestens 2016 regelmäßig bei rechten Aktionen auf und kennt sich untereinander offenbar bestens. Der Kreis der mutmaßlichen Brandstifter setzt sich folglich aus hartgesottenen Phalanx-Überbleibseln sowie umtriebigen und überzeugten „Die Rechte“-Aktivisten zusammen. Das staatliche Verbot von „Phalanx 18“ hat offenbar nicht dazu geführt, dass sich Personen wie Jürgensmeier und Sander zur Ruhe setzen. Gemeinsam mit Jürgensmeiers Bekannten aus etablierten „Die Rechte“-Strukturen ergibt sich eine Personengruppe, die nicht nur ideologisch ähnliche Einstellungen teilt, sondern auch aktionistisch auf einer Wellenlänge schwimmt. Um die Partei finden sich schon seit längerem gewaltbereite Nazis zusammen, die politisch Andersdenkende terrorisieren, wie sich das schon in Dortmund, Hildesheim, Braunschweig und auch Bremerhaven zeigte.
Und jetzt? Wer genau die Friese angezündet hat, können wir natürlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Ebenso wenig, aus welcher Dynamik heraus dies am Abend des 15. Februar 2020 geschah. Wir sind uns aufgrund sämtlicher zusammengetragener Informationen jedoch sehr sicher, dass die Täter dem oben beschriebenen Kreis angehören. Zu einer ähnlichen Einschätzung kam nach nur 1,5 Jahren verschleppter Ermittlungsarbeit auch der sog. „Staatsschutz“ der Bremer Polizei, der am 23. September 2021 die Wohnungen von Jürgensmeier, Sander und Engelke durchsuchte (klick).
Was bleibt? Dass es in Bremen und Umzu Nazis gibt, ist nun wahrlich keine Neuigkeit. In den letzten Jahren kam es regelmäßig zu rassistischen, neonazistischen und homophoben Gewalttaten, Sachbeschädigungen und Brandanschlägen im Bremer Raum. Ob die Täter:innen dabei alleine handeln oder in Parteien, Kameradschaften oder sonstigen Gruppen organisiert sind, ist für uns nebensächlich. Wichtig war, ist und wird bleiben, diese Strukturen aufzudecken, in die Öffentlichkeit zu ziehen und kompromisslos zu bekämpfen. Und sich außerdem solidarisch auf die Seite aller Betroffenen rechter Gewalt zu stellen!
Um es abschließend klar zu formulieren: Das Jugendzentrum „Die Friese“ im Bremer Viertel wurde in der Nacht auf den 16. Februar 2020 von Nazis angezündet. Der Tod von Konzertteilnehmer:innen wurde dabei billigend in Kauf genommen. Völlig unabhängig vom Ausgang der polizeilichen Ermittlungen, vom eventuellen Urteil eines Gerichts und vom zukünftigen Medieninteresse werden wir nicht vergessen, wer zum kleinen Kreis von mutmaßlichen Tätern und Mitwissern gehört.
antifa-bremen.org, November 2021
Wer Informationen zu den oben erwähnten Personen und Strukturen hat, möge sich bitte melden: Kontakt
Siehe auch:
- Feuer in Veranstaltungszentrum – Polizei sucht Zeugen (Pressemitteilung Polizei)
- TV-Beitrag nach dem Brand (buten un binnen)
- Reportage über Demo als Reaktion auf den Brandanschlag und die rassistischen Morde in Hanau (buten un binnen vom 20.02.2020)
- Und an der Tür ein Nazi-Sticker (taz Bremen)
- Feuer während eines Konzerts im Jugendzentrum Friese – Staatsschutz ermittelt (Weser-Kurier)
- Brände im Bremer Steintorviertel – rechtspolitischer Hintergrund möglich (Kreiszeitung)
- Brandanschlag auf das soziokulturelle Jugendzentrum „Die Friese“ in Bremen (Radio Corax)
- Jugendzentrum Friese: Arbeit soll fortgesetzt werden (Weser-Kurier)
- Überraschung: Es waren wohl Rechte (taz Bremen)
- Hinweise auf organisierten Rechtsterror und Bremer SEK & MEK haben auf Nordkreuz-Schießplatz trainiert (DIE LINKE)
- Rechte Gewalt und rechter Terror in Bremen und dem Umland? (Mitteilung des Senats)
- Outing von Jürgensmeier und Sander am Jahrestag der Brandstiftung (indymedia)