Es ist endlich vorbei, die Ergebnisse der Bürgerschaftswahl stehen fest und wir wollen an dieser Stelle einen kurzen Überblick über den Wahlkampf der NPD und anderer rechter Gruppierungen sowie die Ergebnisse geben.
Der Wahlk®ampf der NPD
Nach dem Zusammenschluss von NPD und DVU hatte die neue „NPD – Die Volksunion“ den Einzug in die Bremer Bürgerschaft, also ein westdeutsches Landesparlament, zur Chefsache erklärt. Daraufhin wurden die NPD-Bundesfunktionäre Matthias Faust aus Hamburg und Jens Pühse aus dem sächsischen Riesa nach Bremen eingeflogen und zu „Spitzen„kandidaten deklariert.
Insgesamt wäre der diesjährige Bremer NPD-Wahlkampf ohne auswärtige Importe nicht möglich gewesen. Aufgrund begrenzter finanzieller, struktureller und intellektueller Fähigkeiten der hiesigen NPD wurde aus verschiedensten Ecken der Republik technische und personelle „Verstärkung“ herangekarrt, vor allem aus den östlichen Bundesländern. Von dort kamen u.a. Landeswahlkampfleiter Pühse sowie sein Stellvertreter Patrick Wieschke, weitere Wahlhelfer reisten aus Nürnberg, Osnabrück, Cuxhaven oder Oldenburg an und hielten sich z.T. mehrere Wochen lang in Bremen und Bremerhaven auf. Die niedersächsische NPD stellte auch noch einen Pritschenwagen zur Verfügung.
Größere Kreise innerhalb der NPD weigerten sich aber offenbar den Bremer Landesverband zu unterstützen, vermutlich aufgrund der Streitereien um die Familie Yardim sowie anderer Sonderfälle innerhalb der Bremer NPD.
Im Januar 2011 wurde das ehemalige DVU-Büro in Bremerhaven zum „NPD-Bürgerbüro“ umfusioniert und diente von da an als Wahlkampfzentrale, von der aus der bundesdeutsche „Zwangszusammenschluss“ ab März mehrere Dutzend Infotische und Verteilaktionen sowie drei Kleinkundgebungen mit jeweils um die 15 Personen in Bremen durchführte. Eine in welcher Form auch immer positive mediale Präsenz war der NPD allerdings nicht vergönnt. Die regionalen Medien sind ist in keiner Form auf Pühses wiederholte großmäulige Ankündigungen eingegangen, berichteten aber mehrmals ausführlich über die Machenschaften der Nazi-Partei.
So blieb der NPD nur sich über mühevolle nationale Handarbeit per Hauswurfsendungen und durch das Aufhängen mehrerer tausend Plakate in den Straßen selber in Szene zu setzen. Das propagandistische Ausmaß des Nazi-Wahlkampfes fiel im Vergleich zu den DVU-Materialschlachten der letzten Wahlen allerdings geringer aus, die finanziellen Möglichkeiten der NPD sind eben doch weitaus beschränkter. Insgesamt konzentrierte der Bremer Landesverband seine Aktivitäten bald auf Bremerhaven und die Stadtteile Bremens, in denen NPDler für die Beiratswahlen kandidierten.
Für juristischen Ärger sorgte unterdessen die Verteilung einer „Schulhof-CD“ und einer Schülerzeitung namens „Lehrerschreck“, beides wurde recht zeitnah von Polizei und Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.
Verärgert haben die NPD-Aktivitäten anscheinend auch andere Kreise, so brannten mehrere Autos von NPD-Aktivisten aus, darunter auch einer ihrer Wahlkampf-Bullis. Überhaupt waren viele ihrer Aktivitäten von antifaschistischen Protesten und Widerstand aller Art begleitet, wurden gestört oder verhindert.
Der NPD-Aufmarsch
Als Höhepunkt des Wahlkampfes hatte die NPD ursprünglich einen „Sozialkongress“ mit Parteiprominenz auf der Bremer Bürgerweide und einen anschließenden 1.-Mai-Aufmarsch geplant und angekündigt. Tatsächlich trafen sich dann auch 195 herangekarrte NPDler unter einer Bremer Hochstraße und zogen, von einem immensen Polizeiaufgebot abgeschirmt, 2 Stunden lang durch die Bremer Neustadt. Dies aber nicht wie ursprünglich geplant am 1. Mai, sondern bereits einen Tag davor. Auch vom Sozialkongress war weit und breit nichts zu sehen, auf der Bürgerweide fand stattdessen wie seit Ewigkeiten bekannt die Bremer „Osterwiese“ statt.
Unter den Aufmarschierenden befanden sich lediglich um die 35 Personen aus Bremen und Bremerhaven, der Rest kam aus anderen Bundesländern. Erwähnt seien hier vor allem 2 komplette Busladungen aus den östlichen Teilen der Republik. Auffällig war auch dass es oft Landes- und Kreisfunktionäre waren, die lediglich einzelne Nazis im Schlepptau hatten.
Dass die NPD ihr ursprüngliches Ziel, am 1. Mai einen bundesweiten Aufmarsch plus Kongress durchzuführen, nicht erreichen konnte, ist zum einen natürlich ein großer Erfolg. Andererseits bleiben fast 200 Nazis, die 2 Stunden lang durch die Stadt marschieren können, natürlich trotzdem Scheiße, auch wenn ihnen unüberseh-/hörbar von allen Seiten gezeigt wurde dass sie sich verpissen sollen.
Möglich gemacht wurde ihnen der Aufmarsch letztlich durch einen sozialdemokratischen Innensenator und seine Law&Order-Prügelpolizei, denen die breite antifaschistische Grundstimmung offensichtlich ein Dorn im Auge war: Bereits im Vorfeld wurde durch Polizei und Innenbehörde ein massives Bedrohungsszenario herbeihalluziniert. Auf diese Art und Weise wurde einerseits versucht, das antifaschistische Bündnis zu spalten, andererseits konnte so ein martialisches Polizeiaufgebot und hartes Vorgehen in der Öffentlichkeit legitimiert werden. Zusammengefasst haben alleine die Verantwortlichen im Senat, in den Behörden und bei der Polizei den Naziaufmarsch durchgesetzt! Es lag keinesfalls an der Stärke der Nazis und sicher erst recht nicht an mangelndem antifaschistischen Widerstand.
Hunderte Jugendliche erfahren am 30. April erstmals wie hierzulande mit antifaschistischem Widerstand umgegangen wird, der sich zu mehr verpflichtet sieht als symbolischem Protest oder parteipolitischer Empörtheit. Wer aufgrund des eigenen Engagements gegen Nazis von deutschen Bullen mit Tonfas und Pfefferspray verletzt wird, weiß für die Zukunft, was von staatlichen Strukturen im Kampf gegen einen neuen Nationalsozialismus zu erwarten ist, nämlich nicht allzu viel. ACAB!
Bürger in Wut, Deutsche Konservative, Freie Wähler Bremen und Protest der Bürger
Bis auf die BIW waren die anderen rechten Parteien vor der Wahl in der Öffentlichkeit und den Medien so gut wie gar nicht wahrnehmbar. Auch die BIW hatten außer ihren recht platten aber zahlreichen Plakaten und einigen Hauswurfsendungen nicht viel zu bieten.
Wahlergebnisse
Bürgerschaftswahl Land Bremen:
Partei | Wahlbereich Bremen | Wahlbereich Bremerhaven | Land Bremen gesamt |
NPD | 15.931 Stimmen (1,4%) | 4.526 Stimmen (2,3%) | 20.457 Stimmen (1,6%) |
Bürger in Wut | 34.658 Stimmen (3,1%) | 13.817 Stimmen (7,1%) | 48.475 Stimmen (3,7%) |
Freie Wähler | 2.435 Stimmen (0,2%) | — | 2.435 Stimmen (0,2%) |
Protest der Bürger | — | 1.303 Stimmen (0,7%) | 1.303 Stimmen (0,1%) |
Für die BIW zieht damit Jan Timke in die Bürgerschaft.
Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven:
NPD | 4.224 Stimmen (2,2%) |
Bürger in Wut | 14.415 Stimmen (7,4%) |
Protest der Bürger | 1.161 Stimmen (0,6%) |
Hier zieht Horst Görmann für die NPD in die SVV ein, Heinrich Grotstück, Malte Grotheer und Jan Timke für BIW.
Beiratswahlen Bremen:
Blumenthal | NPD 4,3% (gewählt: Sascha Humpe) BIW 8,5% (gewählt: Harald-Cristian Sociu) |
Burglesum | BIW 6,0% (gewählt: Frank Rath) |
Findorff | NPD 1,0% |
Gröpelingen | NPD 3,7% (gewählt: Gabriele Yardim) |
Hemelingen | BIW 5,7% (gewählt: Bernd Winkler) Deutsche Konservative 1,2% |
Huchting | BIW 5,4% (gewählt: Walter Hamen) |
Mitte | BIW 2,5% |
Neustadt | BIW 2,4% |
Obervieland | DK 2,2% |
Östl. Vorstadt | BIW 2,2% |
Vahr | NPD 1,9% BIW 4,5% (gewählt: Veronika Janetzki) |
Vegesack | BIW 8,4% (gewählt: Oliver Meier) |
Walle | NPD 2,6% |
Insgesamt erreicht die NPD also 3 und BIW 11 Mandate in verschiedenen Gremien.
Fazit
Die NPD hat ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreicht und auch hier nicht die große Show abziehen können. Unter’m Strich hat sie sich in der Öffentlichkeit selbst blamiert. Trotzdem haben sie mehrere kleine Mandate bekommen und das ist schlimm genug, die erlangten Stimmen reichen zudem aus um die Wahlkampfkostenerstattung zu erhalten.
Personell dürfte die Bremer NPD vom Wahlkampf kaum profitiert haben, die auswärtigen Helfer sind wieder abgezogen. Selbst Jens Pühse kandidierte „schlauerweise“ nur für einen prestigeträchtigen Posten im Landesparlament, die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung schien ihm wohl nicht reizvoll genug, weshalb dort jetzt „NPD-Horst“ Görmann seine freie Zeit absitzen darf. Dass die Nazis in den Gremien größere Politik machen können ist nicht zu befürchten, sie werden wohl eher in der „Rechtsaußen-Ecke“ versauern.
Die NPD konnte jedenfalls nicht an die jahrelangen Wahlerfolge der DVU im Land Bremen anknüpfen. Das Nazi-Image ist einfach nicht zu verschleiern (ach!), ihre „haus-eigenen“ Themen interessieren zur Zeit kaum jemanden und auf die großen Weltprobleme haben die Nazis eh keine Antworten. Deutlich geworden ist aber dass die NPD in Wohngebieten mit den viel zitierten „sozialen Problemen“ ein deutlich größeres Wählerpotential hat.
Im Gegensatz zur NPD konnten sich die Bürger in Wut ein größeres Stück vom rechten Wählerpotential abschneiden. Sie können ihr Wahlergebnis weiter ausbauen und ziehen in gleicher Stärke erneut in Bürgerschaft und SVV ein, in den Beiräten steigerten sie sich von einem auf insgesamt sieben Sitze. Die Aktivitäten der oftmals alten Bekannten aus Reihen der verkoksten „Schill-Partei“ wird man nun noch genauer verfolgen müssen, Rassismus und Hetze gegen sozial Schwache hat immer volle Breitseite Kontra verdient!
Was bleibt?
Zunächst soll nochmal ein großes DANKE ausgesprochen werden an alle die sich auf unterschiedlichste Weise gegen Nazis engagiert haben. Erfreulich viele junge und neue Leute haben sich eingebracht und werden die Szene in Bremen hoffentlich nachhaltig weiter beleben. Es gab eine große, breit angelegte antifaschistische Kampagne mit vielen inhaltlichen und kulturellen Veranstaltungen, die über die Szene hinaus viele Menschen erreicht und für das Thema sensibilisiert hat.
Leider muss rückblickend aber auch festgestellt werden, dass das Stören und Verhindern des Naziwahlkampfes selber oft zu kurz gekommen ist, eigene Aktionen unabhängig vom Reagieren auf Nazi-Aktivitäten haben kaum stattgefunden. Es ist natürlich absolut nötig und richtig Nazis entgegenzutreten wenn immer sie sich zeigen, aber Aktionen wo „wir“ Zeit und Konzept bestimmen haben weitgehend gefehlt. Nach dem Aufmarsch am 30. April sind antifaschistische Aktivitäten, im Gegensatz zum letzten Wahlkampf-Zucken der NPD, leider ziemlich eingeschlafen. Die Grenzen des eigenen Potentials und der Handlungsfähigkeit sind deutlich geworden, was in der gesamten antifaschistischen Bewegung in nächster Zeit ausgewertet, diskutiert und verbessert werden sollte.
Denn auch wenn die NPD eine deutliche Abfuhr in Bremen bekommen hat, sind Probleme wie Rassismus, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus natürlich noch nicht zu den Akten zu legen. Die Bremer NPD ist ihrerseits auch selbst nur als Teil einer rechten Szene zu betrachten. Zu dieser gehören genauso Nazi-Hooligans (die zuletzt fast ungestört Parties feiern und Konzerte veranstalten konnten) oder auch die rechten Spießer von Bürger in Wut, die in Parlamenten und Beiräten sitzen und ihren Müll da kundtun. Nicht vergessen werden darf auch die aktive Naziszene im Bremer Umland, die, wie vor kurzem in Delmenhorst geschehen, politisch Andersdenkende ins Krankenhaus prügelt. All diese Bruchteile existieren unabhängig von Wahlkampf und Aufmärschen und machen antifaschistische Gegenwehr unerlässlich. Organisieren wir diese!