26. Oktober 2014, Köln. Etwa 3000 Personen nehmen an einer Kundgebung des rechten Neu-Netzwerks „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) am Kölner Hauptbahnhof teil. Unter diesem Label versuchen rechte Hooligans, Rechtspopulisten und Nazi-Kader seit einiger Zeit verstärkt politischen Einfluss in Hooligan- und Ultraszenen zu gewinnen. Der breite gesellschaftliche Konsens bzgl. der Ablehnung von Salafisten und „Islamischer Staat“ dient den Initiatoren dabei als Grundlage für stumpfen Deutsch-Nationalismus und allgemeine Hetze gegenüber Muslimen. Im Verlauf der Veranstaltung kommt es zu haufenweise Randale und Schlägereien – mit der überraschten und überforderten Polizei, Pressevertreter_innen und einigen Gegendemonstrant_innen.
Auch aus der Bremer Region beteiligt sich ein Kessel voll Gemischtes am Kölner Ekelumzug, die Anreise erfolgt sowohl per Auto als auch durch eine gemeinsame Zugfahrt von über 40 Leuten. Unter den Abgereisten sind etliche bekannte Nazis wie Henrik Ostendorf, Andre Sagemann, Michael Kurzeja und Markus Privenau mit ihrem Anhang sowie ein Teil der Bremer Sektion der „Brigade 8“. Einen weiteren größeren Anteil machen ältere Bremer Nazihools und ihr Umfeld aus, darunter viele Leute, die in den letzten Jahrzehnten kaum noch aufgefallen sind. Einige von ihnen waren aber bereits am 1. Juni diesen Jahres am Rande einer Salafisten-Veranstaltung auf dem Bremer Bahnhofsvorplatz anwesend. Als weitere Gruppe reisen diverse, meist unbekannte Neulinge an, die sich von der HoGeSa-Mobilisierung anscheinend angesprochen fühlen. Insgesamt eine recht diffuse Mischung von Leuten, die in dieser Form gemeinsam noch nicht öffentlich aufgetreten ist.
Auch die Bremer Nazi-Hooliganband „Kategorie C“ versucht die Gunst der Stunde zu nutzen und veröffentlicht kurze Zeit vor dem Event ein in aller Eile zusammengeschustertes „Musikstück“ mit dem zum Netzwerk passenden Titel „Hooligans gegen Salafisten“. In diesem bedient Sänger Hannes Ostendorf in gewohnter Weise rassistische und patriotische Ressentiments und Plattheiten. Nachdem er sich – ganz Popstar – von einer Horde von „Fans“ mit Smartphones hat ablichten lassen, verlässt er die Bühne schließlich mit einem zackigem „Heil Sportsfreunde!“
Mittlerweile haben sich bei HoGeSa festere Strukturen herausgebildet, in denen Bremer eine größere Rolle spielen. Als für den Bereich Norddeutschland Zuständiger fungiert Marcel Kuschela alias „Flubber“ aus Bremen, sein Stellvertreter ist der bekannte Neonazi Christian Sternberg aus Lüneburg. Beide organisieren die gemeinsamen Anfahrten zu den Veranstaltungen und halten Kontakt zu den weiteren Regionen in Deutschland. Kuschela ist am rechten Flügel der Bremer Hooligan-Szene kein Unbekannter, allerdings auch keine große Nummer.
Unter dem Label HoGeSa formiert sich in Köln – zumindest temporär – eine Mischpoke aus Nazi-Hools, organisierten Nazis, rassistischem Pöbelvolk und einem rechts-offenen Sumpf und träumt von einem von ihnen initiierten und angeführten rassistischen Volksaufstand. Dieser bedient sich offiziell zwar noch des Labels „gegen Salafisten“, meint inoffiziell aber längst alles „nicht-deutsche“. Dass es dabei um mehr geht, als sich gegen religiös-fundamentalistische Spinner mit Gewaltphantasien zu wehren, liegt auf der Hand. Die Veranstalter wähnen sich vielmehr als Sprachrohr „des Volkes Stimme“, als ehrenwerte Verteidiger des „christlichen, zivilisierten Abendlandes“ und „deutschen Werten“ des „deutschen Volkes“. Für den aktivistischen rechten Pöbel, für den Polit-Organisationen und ‑Parteien wie die NPD bisher zu offensichtlich NS-lastig oder zu „interlektuell“ war, anscheinend genau der richtige Anlass, um auf der Straße das Maul aufzumachen.
Während Organisationen wie die NPD immer weiter an Bedeutung verlieren und der insgesamt sicherlich nicht kleinen Naziszene die personellen und thematischen Zugpferde fehlen, kommt so nun aus etwas anderer Richtung neue Dynamik in die Sache.
Auch wenn natürlich bei weitem nicht alle Teilnehmer_innen der Kölner Veranstaltung automatisch überzeugte Rassisten oder organisierte Neonazis sind, und manche Person sich im Nachhinein gefragt haben mag, wo sie dort eigentlich reingeraten ist: Die Veranstalter_innen selber kommen aus genau diesen rechten bis nach-rechts-gerne-offenen Milieus, genauso wie ein erheblicher Anteil der Gäste. Die Region Bremen ist dabei sicherlich nur als Beispiel zu sehen.
Siehe auch:
„Sport frei“ mit 44 Verletzten (blick nach rechts)