Abmarsch statt Aufmarsch

4. Novem­ber 2006, Bre­men-Walle. Der 4. Novem­ber 2006 in Bre­men wird der nord­deut­schen Nazi­szene sicher­lich noch lange in unschö­ner Erin­ne­rung blei­ben: Etwa 10.000 Men­schen betei­li­gen sich den gan­zen Tag über an ver­schie­dens­ten Aktio­nen gegen den geplan­ten Nazi­auf­marsch in Bremen-Walle.

Bereits am Mor­gen ver­sam­meln sich meh­rere Tau­send Men­schen am Depot in Grö­pe­lin­gen, um sich der anti­fa­schis­ti­schen Gegen­de­mons­tra­tion anzu­schlie­ßen. Die durch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt stark ver­kürzte Demo­route soll von dort aus auf der Grö­pe­lin­ger Heer­straße in Rich­tung Stadt­mitte bis kurz vor den Ohlen­hof füh­ren. Die Nazis wol­len dage­gen vom Wal­ler Bahn­hof aus mar­schie­ren, eben­falls in Rich­tung Ohlenhof.

Siehe auch:
Fotos aller Nazis am 4. Novem­ber 2006 in Bremen-Walle
BREMEN – Groß­demo und Bul­len­pro­vo­ka­tion (indy­me­dia-Arti­kel)
Nazi­auf­marsch in Bre­men gestoppt (indy­me­dia-Arti­kel)
Erfolg in Bre­men ?! (indy­me­dia-Arti­kel)
„Akti­ons­wo­chen­ende” der NPD/JN Ver­den (indy­me­dia-Arti­kel)

Das Poli­zei­kon­zept

Zwi­schen bei­den geplan­ten Rou­ten-End­punk­ten hat die Poli­zei eine sog. „Puf­fer­zone“ von meh­re­ren hun­dert Metern Länge abge­sperrt die ver­hin­dern soll, dass Gegen­demo und Nazi-Auf­marsch auf­ein­an­der­tref­fen. An der anti­fa­schis­ti­schen Seite die­ser Zone steht eine dünne Poli­zei­kette, die als „Lock­mit­tel“ für den „auto­no­men“ Anti­f­ab­lock her­hal­ten soll. Poli­zei­plä­nen zufolge sollte die­ser Block nach einem mili­tan­ten Durch­bruch inklu­sive des Laut­spre­cher­wa­gens vom Rest der Demo gespal­ten und ein­ge­kes­selt wer­den. Die­ses Kon­zept geht jedoch nicht auf, da die Poli­zei­kette let­zend­lich von einem geschlos­se­nen Block ver­schie­dens­ter Leute weg­ge­drängt wird und die Demo damit nicht mehr in „Gut“ und „Böse“ spalt­bar ist. Das geschlos­sene Auf­tre­ten des gesam­ten Bünd­nis­ses ver­hin­dert somit eine Spal­tung der Demonstration.

Let­zend­lich gelan­gen meh­rere tau­send Men­schen in die „Puf­fer­zone“ und beset­zen auf diese Weise etwa 2/3 der Stre­cke des geplan­ten Nazi-Auf­mar­sches. Bre­mens Bür­ger­meis­ter Böhrn­sen und Abschiebe-Innen­se­na­tor Röwekamp stop­pen dage­gen an der ehe­ma­li­gen Absper­rung, nach­dem sie sich für ein paar Foto-Auf­nah­men kurz öffent­lich­keits­wirk­sam an die Spitze eines SPD+CDU-Blockes gestellt hat­ten. Danach waren sie nicht mehr gesehen.

Anti­fa­schis­ti­sche Gegenaktionen

Wäh­rend­des­sen beset­zen etwa 150 Anti­fas in Walle die Bahn­schie­nen und legen dadurch jeg­li­chen Bahn­ver­kehr erst ein­mal lahm. Dadurch sit­zen in Bre­men-Burg meh­rere dut­zend Nazis fest, die von Bre­men-Nord aus mit dem Zug zum Wal­ler Bahn­hof fah­ren wol­len. Erst nach erheb­li­cher Ver­zö­ge­rung geht das braune Pack schließ­lich auf Reisen.

Dem Demo-Motto und Kon­sens des brei­ten anti­fa­schis­ti­schen Bünd­nis­ses „Kei­nen Meter!“ wird damit bereits eine enorme Ernst­haf­tig­keit ver­lie­hen, als die Nazis sel­ber noch nicht ein­mal vor Ort sind. Durch ent­schlos­se­nes gemein­sa­mes Vor­ge­hen der ver­schie­de­nen Grup­pen und Orga­ni­sa­tio­nen kön­nen die Nazis erst mit erheb­li­cher Ver­spä­tung los­lat­schen und dann auch nur einen Bruch­teil ihrer ursprüng­lich geplan­ten Route zurück­le­gen. Des wei­te­ren sind sie zah­len­mä­ßig dezi­miert: einige Faschos wer­den von Anti­fas schon im Vor­feld unsanft wie­der nach Hause geschickt, als sie ver­su­chen zu Fuß zum Wal­ler Bahn­hof zu gelangen.

Auf der anti­fa­schis­ti­schen Bünd­nis­demo kommt es unter­des­sen zu mas­si­ven gewalt­tä­ti­gen Über­grif­fen der Poli­zei, da tau­sende Men­schen nach wie vor die Nazi-Route blo­ckie­ren und auch nach wie­der­hol­ten Auf­for­de­run­gen und Dro­hun­gen nicht gewillt sind, diese zu räu­men. Über­griffe der Poli­zei las­sen die Situa­tion dann zeit­weise eska­lie­ren: Ver­mummte Poli­zei­kräfte prü­geln sich durch die auf der Straße ste­hen­den Men­schen und zer­stö­ren die Lautsprecheranlage.

Auch an den Absper­run­gen kommt es zu Über­grif­fen, mehr­mals sprüht die Poli­zei aus kür­zes­ter Ent­fer­nung mas­siv Pfef­fer­spray auf die Köpfe von Gegen­de­mons­t­ra­tIn­nen, wodurch etli­che Men­schen Augen­ver­let­zun­gen erlei­den. Dazu gibt es Prel­lun­gen durch Schlag­stö­cke. Hunde einer Hun­de­staf­fel bei­ßen sich (ohne Maul­korb) regel­recht von Hin­ten nach Vorne durch die Demo, es gibt meh­rere tiefe Biss­wun­den. Unter den Ver­letz­ten befin­den sich viele Bür­ger und jün­gere Men­schen, die zurecht ent­setzt auf das reagie­ren, was Anti­fas in der Bun­des­re­pu­blik an bei­nahe jedem Wochen­ende erle­ben dürfen.

Auf­grund von Geschlos­sen­heit und ent­schie­de­ner Gegen­wehr gelingt es den Bul­len jedoch nicht mal ansatz­weise die Blo­ckade auf­zu­lö­sen und die Antifa-Demo zu ver­trei­ben. Beson­ders her­vor­ge­ho­ben wer­den soll an die­ser Stelle der gemein­same ent­schlos­sene Wider­stand ver­schie­dens­ter Grup­pie­run­gen gegen die Poli­zei­pro­vo­ka­tio­nen und ‑über­griffe, z. B. von IG Metall und ver.di, Schü­le­rIn­nen oder auto­no­men Anti­fas. Auch etli­che Bür­ge­rIn­nen und Anwoh­ne­rIn­nen betei­li­gen sich an den Ket­ten gegen die Poli­zei und tra­gen damit maß­geb­lich zum Erfolg bei.

Bereits im Vor­feld des 4.11. hat­ten sich meh­rere Bünd­nisse zu Gegen­ak­ti­vi­tä­ten gebil­det, u.a. ein brei­tes Bür­ger­bünd­nis und ein Jugend­bünd­nis. Die ganze Stadt war voll von Mobi­li­sie­rungs­ma­te­rial und viele Men­schen inves­tier­ten Unmen­gen an Zeit und Mühe um den 4.11. zu einem erfolg­rei­chen anti­fa­schis­ti­schem Tag wer­den zu las­sen. An die­ser Stelle noch­mal ein dickes Danke an alle die sich in irgend­ei­ner Form im Vor­feld oder am 4.11. sel­ber an Gegen­ak­tio­nen betei­ligt haben. Rock on!

Posi­tiv ist auch zu bemer­ken, dass es Poli­zei und Innen­se­na­tor Röwekamp weder im Vor­feld noch auf der Demo sel­ber gelun­gen ist, den Pro­test gegen den Nazi-Auf­marsch in „bür­ger­lich“, „links-auto­nom“, „gut“, „böse“ usw.usf. zu spal­ten. Bleibt zu hof­fen, dass auch bei zukün­fi­gen Aktio­nen viele Men­schen gemein­sam gegen Nazis auf die Straße gehen.

Kurio­si­tät am Rande: Sogar die Bre­mer Repu­bli­ka­ner woll­ten sich unter dem Motto „gegen lin­ken und rech­ten Extre­mis­mus“ an der Gegen­de­mons­tra­tion betei­li­gen. Wirk­lich auf­ge­taucht sind sie letzt­lich schlau­er­weise nicht.

Die Nazis

Alles in Allem war es ein mehr als ent­täu­schen­der Auf­tritt für die Nazis, beson­ders für die Bre­mer NPD. Selbst nach mona­te­lan­ger Vor­lauf­zeit und groß­mäu­li­ger Ankün­di­gung beka­men sie gerade mal 124 Kame­ra­den auf die Straße.
Wenn Zivil­bul­len und „zufäl­lige Teil­neh­me­rIn­nen“ abzo­gen wer­den, sind es noch weni­ger. Zusam­men­ge­setzt hat sich der Hau­fen aus den Bre­mer und Bre­mer­ha­ve­ner NPD- und JN-Mit­glie­dern und ‑Sym­pa­tis­an­ten, eini­gen Glat­zen aus der hie­si­gen Kame­rad­schafts­szene (z. B. „Weser­sturm“) und dem Bre­mer Wes­ten, dar­un­ter viele „Sauf­na­zis“. Von Außer­halb ange­reist waren an die 25 Nazis aus der Region Ostfriesland/Oldenburg, wei­tere Grup­pen kamen aus dem Schaumburger/Mindener Land und aus dem Groß­raum Ham­burg. Große Teile der Nazi­szene aus Bre­men und dem Umland waren gar nicht ver­tre­ten, eben­so­we­nig die übli­chen Rei­se­schrei­hälse der nie­der­sä­chi­schen und nord­rhein-west­fä­li­schen NPD.

Red­ner auf dem Nazi­auf­marsch sind Horst „NPD-Horst“ Gör­mann (Lan­des­vor­sit­zen­der der Bre­mer NPD aus Bre­mer­ha­ven), Hans-Gerd Wiech­mann (Lüne­burg), Alex­an­der Hohen­see und Chris­tian Worch (Ham­burg) und Adolf Dam­mann (Bux­te­hude).

Nach anfäng­lich lan­ger War­te­rei steht sich das natio­nale Elend dann nach eini­gen hun­dert Metern die Beine in den Bauch, da tau­sende Gegen­de­mons­tran­tIn­nen sich nicht räu­men las­sen. Gegen 17 Uhr erlöst die Poli­zei die Nazis schließ­lich und schickt sie wie­der nach Hause.

Braune Strei­te­reien

Bereits im Vor­feld des Auf­mar­sches gibt es in Bre­men interne Strei­te­reien über Sinn und Unsinn des Auf­mar­sches. Freie Natio­na­lis­ten, Ham­mers­kins, Nazi­hools und einige Kame­rad­schaf­ten betei­li­gen sich gar nicht erst an der Mobi­li­sie­rung und Vor­be­rei­tung. Über­re­gio­nal eska­lie­ren die Strei­te­reien als bekannt wird, dass maß­geb­li­che NPD/JN-Akti­vis­ten mit „Aus­län­dern unter einer Decke ste­cken“ – kon­kret gemeint war wohl die füh­rende Bre­mer JNle­rin Louisa Yar­dim, ihrer­seits Toch­ter eines nicht-deut­schen Vaters und der NPD-Akti­vis­tin Gabriela Yar­dim. Meh­rere nie­der­sä­chi­sche Kame­rad­schaf­ten und NPD/JN-Ver­bände sagen ihre Unter­stüt­zung dar­auf­hin ab und distan­zie­ren sich von der Bre­mer NPD. Die Hei­sen­hof-Bande aus Dör­ver­den kün­digt sogar ein zeit­gleich statt­fin­den­des „gesunde Ernährung“-Wochenende mit „Pooh dem Bären“ alias Mat­thias Schultz (sei­ner­seits Experte für eben die­ses The­men­ge­biet) auf dem Hei­sen­hof an.

Auch im Inter­net schlägt die „Misch­lings-Demo“ hohe Wel­len (und tut es immer noch). Das rechts­extreme Stör­te­be­ker-Netz kopiert gleich mal unse­ren Arti­kel über das Outing der bereits erwähn­ten Nazi-Frauen Gabriela und Louisa Yar­dim, inkl. Por­trait­fo­tos und Wohnadresse.

Der Frust der Bre­mer Nazis über den Ver­lauf des Tages ent­lädt sich schließ­lich nicht nur am Abend des 4.11., wo sie aber­mals die Schau­fens­ter­scheibe des VVN-BdA-Büros in Bre­men-Walle mit einem Gul­ly­de­ckel ein­wer­fen, son­dern auch im Ver­lauf der fol­gen­den Tage in diver­sen Inter­net­fo­ren. Stell­ver­tre­tend an die­ser Stelle nur ein Zitat: „es sollte nicht darum gehen zeit zu ver­lie­ren und den Idio­ten die Chance zu geben sich bei der Bevöl­ke­rung anzu­bie­dern und Zah­len­sta­tis­ti­ken wie 10000 gegen 100 zu schaf­fen. Ich bin echt stinksauer“.

Über­haupt scheint die Bre­mer NPD/JN in der Nazi­szene als „Sau­hau­fen“ zu gel­ten: Interne Strei­te­reien, Bünd­nisse mit tür­ki­schen Faschis­ten der MHP, V‑Mann-Vor­würfe gegen Füh­rungs­ka­der. Dazu ver­schwin­den hin und wie­der nicht nur „treue“ Kame­ra­den in der Ver­sen­kung, son­dern auch Par­tei­gel­der. Dazu kom­men dann pein­li­che öffent­li­che Auf­tritte wie der am 4.11.: Ein erbärm­li­cher Hau­fen von (teil­weise betrun­ke­nen) Dumpf­ba­cken, die vor lau­fen­der Kamera Jour­na­lis­ten bedro­hen und anpö­beln. Wer sich die Fotos füh­ren­der regio­na­ler NPD­ler an die­sem Tag anguckt, weiß wie gefrus­tete Nazis aussehen.

Fazit

Der erfolg­rei­che Ver­lauf des Tages ist den­noch mit Vor­sicht zu genie­ßen. Bloß weil es nur für ein erbärm­li­ches Zucken der brau­nen Scheiße gereicht hat, heißt das noch lange nicht, dass die regio­nale Nazi­szene weni­ger ver­netzt oder weni­ger gefähr­lich wäre. Das Ziel für die Zukunft muss daher lau­ten, Nazis wei­ter­hin und immer wie­der ent­schlos­sen und offen­siv ent­ge­gen­zu­tre­ten und ihrer men­schen­ver­ach­ten­den Ideo­lo­gie kei­nen Raum zu las­sen – kei­nen Meter! Wir wer­den unse­ren Teil dazu beitragen.

bremen.antifa.net, Novem­ber 2006.

Wich­tig!

Auf­grund der zahl­rei­chen Über­griffe und Fest­nah­men bit­tet der Bre­mer Ermitt­lungsau­schuss (EA) um Infor­ma­tio­nen zu Poli­zei­ak­tio­nen, Über­grif­fen und Ver­haf­tun­gen. Wenn ihr Betrof­fene und/oder Fest­ge­nom­mene seid oder wenn ihr Poli­zei­über­griffe beob­ach­tet habt, mel­det euch bitte beim EA!

Augen­zeu­gen­be­richte von Poli­zei­über­grif­fen am 04.11.2006 in Bremen-Walle.

Alle fol­gen­den Zitate stam­men aus einer Pres­se­mappe des anti­fa­schis­ti­schen Bünd­nis­ses, die im Rah­men einer Pres­se­kon­fe­renz am 22. Novem­ber an Medi­en­ver­tre­te­rIn­nen ver­teilt wurde.

Reso­lu­tion der AWO-Kreis­kon­fe­renz gegen Polizeiübergriffe

Tau­sende haben am ver­gan­ge­nen Sonn­abend gegen den Auf­marsch der NPD im Bre­mer Wes­ten demons­triert. Auch die AWO Bre­men gehörte mit zu den Initia­to­ren des Pro­tes­tes. In einem gemein­sa­men Auf­ruf hat­ten Geschäfts­füh­rung, Betriebs­rat und Vor­stand zur Teil­nahme an der Demons­tra­tion auf­ge­ru­fen. Viele Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter sowie Mit­glie­der waren die­sem Auf­ruf gefolgt und demons­trier­ten fried­lich gegen die Nazis. Doch was sie am Rande der Demons­tra­tion an Über­grif­fen der Poli­zei mit­er­le­ben muss­ten, war scho­ckie­rend. Da wur­den ein­zelne Demons­tran­ten her­aus­ge­grif­fen, ver­prü­gelt und dann wie­der lau­fen gelas­sen. Da wur­den Hunde ohne Maul­korb und an lan­ger Leine durch die Men­schen­menge geführt. Da wur­den ganz nor­male Bür­ger von der Poli­zei ohne Grund aggres­siv ange­gan­gen. All diese per­sön­li­chen Erleb­nisse ver­an­lasste am gest­ri­gen Abend die Kreis­kon­fe­renz der AWO Bre­men dazu, ein­stim­mig eine Reso­lu­tion zu ver­ab­schie­den. Darin wird das stre­cken­weise über­zo­gene Vor­ge­hen der Ein­satz­kräfte der Poli­zei gegen einige Teil­neh­mer der Demons­tra­tion ver­ur­teilt. „Auch bei einer Demons­tra­tion haben die Ein­satz­kräfte die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der ein­zu­set­zen­den Mit­tel zu beach­ten. In Deutsch­land muss sich jeder Bür­ger in jeder Situa­tion auf die kor­rekte Hand­lungs­weise sei­ner Poli­zei­kräfte ver­las­sen kön­nen.“ Auf der Demons­tra­tion am ver­gan­ge­nen Sonn­abend sei dies ein­deu­tig nicht so gewe­sen. Die AWO Bre­men wird dar­über hin­aus das Gespräch mit der Poli­zei suchen.

gez. Dr. A. W., AWO-Kreisvorsitzender

Ich habe mich mit eini­gen IG Metal­lern von Daim­ler Chrys­ler vor den Was­ser­wer­fern hin­ge­stellt und das Trans­pa­rent „Faschis­mus ist keine Mei­nung son­dern ein Ver­bre­chen“ mit­ge­tra­gen. Wir konn­ten genau beob­ach­ten wie Poli­zis­ten Jugend­li­che pro­vo­zier­ten. Jugend­li­che Schü­ler wur­den von Hun­den gebis­sen oder bru­tal aus der Menge gezerrt und abge­führt. Nur durch die Anwe­sen­heit von Gewerk­schaf­tern und eini­gen muti­gen „älte­ren Mit­bür­gern“ traute sich die Poli­zei nicht, die Ver­samm­lung gewalt­sam aufzulösen.

G. G., Ver­trau­ens­mann der IG Metall bei Daim­ler Chrysler

Der Kon­fron­ta­tion und offen­sicht­li­chen Ein­schüch­te­rungs­tak­tik der Poli­zei­ein­sätze stan­den nicht wir Älte­ren gegen­über, son­dern unsere Jugend. Sicher, sie waren schwarz geklei­det, aber sind sie des­halb Anhän­ger der Auto­no­men? Sicher nicht! Auch ich als ältere Frau fühlte mich in mei­ner schwar­zen Leder­klei­dung woh­ler. Ich habe junge Mäd­chen mit von Pfef­fer­spray ver­brann­ten Gesich­tern gese­hen und war ent­setzt. In den Nach­rich­ten wurde spä­ter von ver­letz­ten Poli­zis­ten gere­det – diese Mäd­chen wur­den nicht gezeigt, von ihnen wurde nicht gespro­chen! Einige ältere Frauen, wenige ältere Män­ner und die IG Metal­ler waren in den vor­de­ren Rei­hen prä­sent, spra­chen mit den Jugend­li­chen, mit den Poli­zei­be­am­ten, ver­such­ten ein wenig von der mas­si­ven Span­nung her­aus­zu­neh­men, was uns auch gelang. Erst nach mehr­ma­li­ger pro­vo­ka­ti­ver Räu­mungs­auf­for­de­rung von Sei­ten der Poli­zei­ein­satz­lei­tung und „Klar­ma­chen zum Angriff“ wurde es sehr unru­hig. (...) Wo waren unsere poli­ti­schen Ver­tre­ter und Par­teien? Sie waren in den vor­de­ren Rei­hen nir­gends zu sehen, wo sie mei­nes Erach­tens hät­ten ste­hen müs­sen, näm­lich vor unse­rer Jugend. (...) Ich schäme mich dafür, dass wir uns hin­ter unse­ren „Kids“ ver­ste­cken, dass wir zu feige sind, vor ihnen zu ste­hen, um sie zu schüt­zen, um ihnen zu zei­gen „Ihr könnt euch auf uns ver­las­sen, wir erlau­ben keine Wie­der­ho­lung der Geschichte“.

E. S.

Lei­der musste ich bei der Demo gegen die NPD ein oft völ­lig über­zo­ge­nes Ver­hal­ten der Poli­zei beob­ach­ten. Da wur­den Hunde ohne Maul­korb und an lan­ger Leine zwi­schen Fami­lien mit klei­nen Kin­dern geführt und haben Angst ver­brei­tet. Ich bin keine Freun­din der auto­no­men Grup­pen, aber die Zer­stö­rung des Laut­spre­cher­wa­gens war völ­lig will­kür­lich und nicht nötig. Auch die Art wie mit Pfef­fer­spray umge­gan­gen wurde war zumin­dest frag­wür­dig. Es stan­den große Grup­pen erkenn­bar fried­li­che Bür­ger, zum Teil auch Behin­derte in der Demo. Auch hier wurde groß­zü­gig Pfef­fer­spray ver­teilt. Am meis­ten hat mich der Umgang mit ein­zel­nen Per­so­nen der auto­no­men Szene erschreckt. Hier wur­den Ein­zel­per­so­nen aus der Gruppe raus­ge­holt und am Rande der Demo regel­recht zusam­men­ge­prü­gelt. Das ist unse­rer Poli­zei unwür­dig. Da stellt sich mir mich die Frage „Wo sieht unsere Poli­zei eigent­lich den Feind der Demo­kra­tie“? Meine bis­her gute Mei­nung über die Recht­mä­ßig­keit bei Poli­zei­ein­sät­zen ist nach die­ser Demo erheb­lich ins wan­ken geraten.

G. B., auch als Leser­brief verschickt

Für die Beur­tei­lung der Frage, warum es bei der ange­mel­de­ten Gegen­de­mons­tra­tion zu gewalt­sa­men Ein­sät­zen kam, müsste man eigent­lich wis­sen, wel­che Tak­tik die Innen­be­hörde für die Gesamt­ak­tion ver­folgte. Nach inten­si­ver Beob­ach­tung der Sze­ne­rie über 6 Stun­den und einer Reihe von Gesprä­chen mit betei­lig­ten Poli­zei­be­am­ten ver­mute ich, dass die Ein­satz­lei­tung von vorn­her­ein mit einer erheb­li­chen Behin­de­rung für die der NPD ein­ge­räum­ten Demons­tra­ti­ons­stre­cke gerech­net hat. Wären die Gegen­de­mons­tran­ten der Auf­for­de­rung gefolgt, den Zug bereits in Höhe der Grasber­ger Straße zu been­den, hätte die Ein­satz­lei­tung flugs die Stun­den vor Beginn der Gegen­de­mons­tra­tion ein­ge­rich­tete Auf­fang­sperre am Boh­len­weg auf­he­ben müs­sen. Dort wur­den wir näm­lich von meh­re­ren hun­dert zumeist mar­tia­lisch aus­ge­stat­te­ten Ord­nungs­hü­tern mit zwei Was­ser­wer­fern, einem Räum­fahr­zeug und einer Viel­zahl von Ein­satz­fahr­zeu­gen emp­fan­gen, die die Wal­ler Heer­straße bis zum Wald­au­thea­ter besetzt hiel­ten. Zu die­sem Sce­na­rio gehörte natür­lich auch die ent­spre­chende Ran­dale, denn wie sonst hätte man die Ver­kür­zung der Nazi-Marsch­stre­cke begrün­den kön­nen. Nichts gegen eine Poli­zei­tak­tik, die letzt­lich den Rech­ten den Auf­tritt erschwert – aber es muss schon die Frage gestellt wer­den, ob es dazu solch mas­si­ver und teil­weise bru­ta­ler Poli­zei­ein­sätze bedarf, wie wir sie beob­ach­ten muss­ten. Immer wie­der haben sich Ein­satz­trupps in Stärke von 10 bis 30 Betei­lig­ten aus dem die Demons­tra­tion umge­ben­den Poli­zei­kordon­ge­löst und in die Menge gestürzt, um unter Ein­satz von Pfef­fer­spray, Gum­mi­knüp­pel und Faust­schlä­gen ein­zelne Per­so­nen aus der Menge zu cat­chen. Nach den Grün­den für diese Über­griffe gefragt, hieß es, dass hier Geset­zes­ver­ge­hen geahn­det wür­den. Außer einem in die Leere gehen­den Fla­schen­wurf und häu­fi­ge­ren Ver­mum­mun­gen -„als Gesichts­schutz vor Sprays und der stän­di­gen Fil­me­rei und Foto­gra­fie­re­rei“, wie die meist jugend­li­chen Auto­no­men sag­ten – haben wir Älte­ren, die sich als Puf­fer vor den Poli­zei­kor­don gestellt hat­ten, keine Ver­ge­hen fest­stel­len kön­nen. Wenn sol­ches Ver­hal­ten aber zu ahn­dungs­wür­di­gen Ver­ge­hen hoch­sti­li­siert wer­den, gegen die zudem noch mit Bra­chi­al­ge­walt ein­ge­schrit­ten wurde, muss man nach den Moti­ven fra­gen. Ich jeden­falls mag nicht glau­ben, dass hier nur gelang­weilte Poli­zei­be­am­tIn­nen ihr Müt­chen küh­len woll­ten. Wenn doch, müsste bei zukünf­ti­gen Nazi­auf­mär­schen dafür Sorge getra­gen wer­den, dass in solch deli­ka­ten Aktio­nen keine Schlä­ger­trupps, son­dern Ord­nungs­hü­ter mit mehr Gespür für den Wert demo­kra­ti­scher Frei­hei­ten zum Ein­satz kom­men. Mit dem mit­mar­schie­ren­den Innen­se­na­tor ver­bin­det uns Bür­ger der freien Han­se­stadt Bre­men der demo­kra­ti­sche Grund­kon­sens, nach dem faschis­ti­sche und tota­li­täre Trup­pen bei uns kei­nen Platz haben.

H. C., auch als Leser­brief veröffentlicht

Ich habe mit einer Reihe von Bekann­ten und mei­nem Lebens­ge­fähr­ten G. R. vor der Poli­zei­sperre zwi­schen Wal­ler Straße und Rit­ter-Raschen-Platz aus­ge­harrt, bis die NPD unver­rich­te­ter Dinge umkeh­ren musste. Immer wie­der beob­ach­tete ich, wie Poli­zei­trupps ohne erkenn­ba­ren Grund in die Men­schen­menge vor­stie­ßen, um sich ein­zelne Demons­tran­ten mit recht rüden Metho­den her­aus­zu­grei­fen. Als sich direkt vor mei­nen Augen drei bis vier Poli­zis­ten auf einen ca 14-jäh­ri­gen Jun­gen stürz­ten, ihn mit den Knien zu Boden drück­ten und mit den Gum­mi­knüp­peln auf ihn ein­schlu­gen, konnte ich mich als Mut­ter und Groß­mutter nicht zurück­hal­ten, den Jun­gen beschüt­zen zu wol­len. Ich wurde von mei­nem Leben­ge­fähr­ten gewalt­sam daran gehin­dert, mich mit in das Getüm­mel zu stür­zen. So wur­den mir wahr­schein­lich Schläge erspart, denn wenige Augen­bli­cke spä­ter warf sich ein Mann, der sich spä­ter als Vater des Jun­gen her­aus­stellte, dazwi­schen und wurde eben­falls verdroschen.

H. W., G. R. und 5 wei­tere Personen

Ich war mit mei­nem neun­jäh­ri­gen Sohn zusam­men auf der Demons­tra­tion. Nach­dem wir uns mit Kin­der­bü­chern wie „Als Hit­ler das rosa­rote Kanin­chen stahl“, „Ich bin ein Stern“ oder „Brun­di­bar“ aus­ein­an­der­ge­setzt hat­ten, war es auch ihm ein Anlie­gen, sich an den Pro­tes­ten gegen Nazis zu beteiligen.

Die erste Poli­zei­sperre öff­nete die Poli­zei aus mei­ner Sicht (fast) frei­wil­lig. Gewalt aus Rei­hen der Demons­tran­tIn­nen konnte ich nicht beob­ach­ten. Als ich selbst die Stelle kurz nach dem „Durch­bruch“ pas­sierte, wur­den wir von einer gan­zen Gruppe Poli­zis­ten bedroht, die mit Spray­do­sen im Anschlag direkt in unsere Gesich­ter ziel­ten (aber nicht „abdrück­ten“) und uns im Befehls­ton auf­for­der­ten, sofort wei­ter­zu­ge­hen. Am Boden, kaum zu sehen hin­ter all den schwe­ren Poli­zei­stie­feln und mit dem Gesicht nach unten, lag ein jun­ger Mann (mit hel­ler Hose).

An der zwei­ten Sperre ver­kün­dete eine Laut­spre­cher­durch­sage der Poli­zei, dass die Ansamm­lung als Ver­samm­lung nach dem Ver­samm­lungs­recht geneh­migt sei, wodurch ich mich mit mei­nem Sohn sicher wähnte. Doch unmit­tel­bar danach griff die Poli­zei die Kund­ge­bung für mich völ­lig über­ra­schend an. Ich ret­tete mich mit mei­nem Sohn in einen Vor­gar­ten. Dort­hin wurde auch ein Jugend­li­cher geschafft, der von Poli­zis­ten ver­prü­gelt wor­den war. Er war bleich und benom­men und wurde dort im Vor­gar­ten so gela­gert, dass sein Kreis­lauf sich sta­bi­li­sie­ren konnte. Kurz dar­auf griff ein gan­zer Stoß­trupp Poli­zis­ten völ­lig grund­los den Laut­spre­cher­wa­gen der Ver­an­stal­ter an, der direkt auf Höhe des Gar­ten­zauns zum Ste­hen gekom­men war, hin­ter den wir uns geflüch­tet hat­ten. Die Mode­ra­to­ren auf dem Wagen bemüh­ten sich bis zur letz­ten Sekunde um Ver­stän­di­gung mit der Poli­zei, rie­fen zu Beson­nen­heit auf und signa­li­sier­ten der Poli­zei­füh­rung gegen­über Gesprächs­be­reit­schaft. Es nutzte nichts. Ich habe aus nächs­ter Nähe erlebt, wie bru­tal und rück­sichts­los die Poli­zis­ten vor­gin­gen. Erneut setz­ten sie auch hier Pfef­fer­spray ein. Scha­ren von Men­schen ström­ten nun zu unse­rem „Zufluchts­ort“ mit Ver­let­zun­gen durch den Gas­ein­satz. Von über­all wur­den Was­ser­fla­schen gereicht, um die Fol­gen der Ver­ät­zun­gen wenigs­tens not­dürf­tig zu lindern.

Ich sah mich gezwun­gen, die noch immer erlaubte Kund­ge­bung zu ver­las­sen. Über­all lag der Geruch von Pfef­fer­spray in der Luft, und ich hatte Angst, mei­nen Sohn nicht vor der völ­lig rück­sichts­lo­sen Aggres­si­vi­tät der Poli­zei schüt­zen zu kön­nen. „So stelle ich mir den Krieg vor“, kom­men­tierte er das Erlebte geschockt.

In einer Neben­straße, die direkt von der Wal­ler Heer­straße abgeht, wur­den wir schließ­lich noch Augen­zeu­gen der Ver­haf­tung eines Jugend­li­chen (auch er kei­nes­wegs in schwarz geklei­det und ver­mummt). Er war von einer Gruppe von etwa 7 Poli­zis­ten in Kampf­aus­rüs­tung in einen Haus­ein­gang gedrängt wor­den, und nach allem, was ich erlebt hatte, wollte ich ihn in die­ser Situa­tion nicht allein las­sen. Er wirkte noch recht jung und ein­ge­schüch­tert. Ich fragte ihn mit der gebo­te­nen Distanz vom Bür­ger­steig aus, ob ich jeman­den benach­rich­ti­gen solle (z. B. seine Eltern). Sofort stürz­ten sich drei Beamte auf mich und mei­nen Sohn, den ich an der Hand hatte. Sie droh­ten mir an, mich sofort in Poli­zei­ge­wahr­sam zu neh­men, wenn ich mich nicht unver­züg­lich ent­fer­nen würde. Von zwei Poli­zei­be­am­ten wurde ich dann mit Nach­druck hin­ter eine Poli­zei­ab­sper­rung geführt.

R. G.

Ich habe mir von einem Ein­satz­trup­pen­lei­ter aus Schles­wig Hol­stein Namen und Dienst­num­mer geben las­sen, da er bei einem Catch-Ein­satz ohne Grund auf zwei Demons­tran­ten mit der Faust ein­schlug. (Dafür gibt es noch einen wei­te­ren Zeu­gen zur Ver­fü­gung steht.) Ich habe bis­her keine Anzeige erstat­tet, da ich zu dem Ergeb­nis kam, dass wir uns kein Ergeb­nis erwar­ten, wel­ches der Mühe wert sei.

H. C.

Ich nahm als Grö­pe­lin­ger Anwoh­ne­rin an der Demons­tra­tion teil. Nach dem Über­schrei­ten der geneh­mig­ten Grenze in der Höhe der Grasber­ger Straße sah ich mit eige­nen Augen, wie die Poli­zei mit­ten durch die jun­gen Demons­tran­tIn­nen scharfe, sehr erregte Schä­fer­hunde ohne Maul­korb führte. Ich habe dann gese­hen, wie ein anwe­sen­der Arzt die Biss­wunde einer jun­gen Demons­tran­tin rei­nigte und versorgte.

Als exami­nierte Alten­pfle­ge­rin ent­schloss ich mich in der Folge, die meist selbst sehr jun­gen Sani­tä­ter der Demons­tra­tion zu unter­stüt­zen, weil es immer wie­der von der Seite „Alte Wal­ler Straße“ zu Über­grif­fen auf die dort ste­hen­den schwarz geklei­de­ten Kin­der und Jugend­li­chen kam.
Es wur­den ein­zelne Demons­tran­tIn­nen (zumeist Mäd­chen und Jugend­li­che mit sicht­ba­rem Migra­ti­ons­hin­ter­grund) gezielt her­aus­ge­grif­fen, mit Pfef­fer­spray besprüht oder gar verprügelt.

Wei­ter­hin sah ich, wie ein mit­lau­fen­der Junge von höchs­tens 12 Jah­ren mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund gezielt von zwei in schwarz geklei­de­ten Poli­zis­ten ver­prü­gelt wurde und dabei eine Schul­ter­lu­xa­tion erlitt (Aus­ku­geln des Schul­ter­ge­lenks). Der Junge wurde von sei­nen Bekann­ten – ca. im glei­chen Alter – zu einem Arzt beglei­tet. Er war kein ange­reis­ter auto­no­mer Gewalt­tä­ter. Ich, die selbst im Lin­den­hof­vier­tel lebt, sehe ihn öfter in der Nach­bar­schaft und einem Super­markt an der Grö­pe­lin­ger Heer­straße an der Kasse. Er scheint also ein Anwoh­ner zu sein.

Neben dem Aus­spü­len von Augen bei drei Demons­tran­tin­nen hatte ich ein 14 jäh­ri­ges Mäd­chen zu ver­sor­gen. Sie reagierte auf das gezielte Besprü­hen ihrer Atem­wege mit zwei­ma­li­gem, schwall­ar­ti­gen Nasen­blu­ten. Ihr war gleich­zei­tig schwin­de­lig, und sie hatte Schüt­tel­frost. Dies hät­ten erste Sym­ptome von Kreis­lauf­ver­sa­gen im Vor­feld eines all­er­gi­schen Schocks sein kön­nen. In Anbe­tracht der Gefähr­dung beglei­tete ich das Mäd­chen durch die Absper­rung zum nächs­ten Ret­tungs­wa­gen. Dabei ist her­vor­zu­he­ben, dass uns die Bre­mer Poli­zis­ten anstands­los hin­ter die Absper­rung lie­ßen, wäh­rend die „Ord­nungs­hü­ter“ in den schwar­zen Over­alls sogar Anstal­ten mach­ten, mich als Erst­hel­fe­rin mit Aus­weis zu schla­gen. Dies ver­hin­der­ten jedoch die Bre­mer Poli­zis­ten, die uns nach einer kur­zen Schil­de­rung der Sach­lage sogar ohne Auf­nahme der Per­so­na­lien auf dem schnells­ten Weg zum nächs­ten Ret­tungs­wa­gen führ­ten. Die Vier­zehn­jäh­rige wurde im Ret­tungs­wa­gen ver­sorgt. Sie wollte jedoch nicht zur Beob­ach­tung ins Kran­ken­haus. Auch sie war keine „Auto­nome“, son­dern eine Real­schü­le­rin aus dem Bre­mer Umland, die sich mehr davor fürch­tete, dass ihre Eltern von ihrem „Aus­flug“ nach Bre­mer erfah­ren wür­den, als vor den Kon­se­quen­zen eines all­er­gi­schen Schocks.

H. R.

denn die, die wirk­lich mili­tant vor­ge­gan­gen sind, sind ein­deu­tig in den Rei­hen der Poli­zei zu fin­den. Da ich in der 5. oder 6. Reihe vor der Absper­rung durch Was­ser­wer­fer stand, konnte ich genau beob­ach­ten, wie die Poli­zis­ten in klei­nen Grüpp­chen gemein­sam einen Demons­tran­ten aus der Menge grif­fen und ihn in Gewahr­sam nah­men. Dabei gab es mei­nes Erach­tens keine spe­zi­el­len Aus­wahl­kri­tie­rien. Gegrif­fen wurde der­je­nige, der sich eben gerade in greif­ba­rer Nähe befand. Beson­ders akut wurde die­ses Vor­ge­hen dann nach der Bekannt­gabe der Auf­lö­sung der Nazi-Demo. Sofort began­nen die Poli­zis­ten wei­ter­hin wahl­los Demons­tran­ten her­aus­zu­grei­fen. (...) Es ist außer­dem nicht hin­zu­neh­men, dass Jugend­li­che und Her­an­wach­sende, die sich kri­tisch mit der deut­schen Ver­gan­gen­heit aus­ein­an­der­setz­ten und dafür kämp­fen, dass rechts­ra­di­kale und natio­nale Struk­tu­ren nicht noch mehr Fuß fas­sen kön­nen, kri­mi­na­li­siert wer­den, den Stem­pel „mili­tan­ter Auto­no­mer“ erhal­ten und dem­entspre­chend von der Poli­zei behan­delt werden.

E. G.

Mutige Gewerk­schaf­ter und andere ältere Leute stan­den schließ­lich direkt vor den Poli­zis­ten und haben dis­ku­tiert und dees­ka­liert. Ich habe zusam­men mit einem Prof. für Straf­recht aus Ham­burg, der aber in Walle wohnt und Demo­teil­neh­mer war, ver­sucht die Ein­satz­lei­tung zu errei­chen, beim zwei­ten Mal lei­der miss­lun­gen, da waren die für uns nicht mehr zu spre­chen, weil sei „beschäf­tigt“ waren. (...) Dann wurde ich von Anwoh­nern aus der Lan­ge­oo­ger Str. ange­ru­fen, ich möchte doch kom­men und ver­mit­teln und dees­ka­lie­ren. Direkt bei ihnen vor der Tür gebe es einen Poli­zei­kes­sel und in dem Kes­sel 100 Demons­tran­ten. Da bin ich denn auch hin. Die Poli­zei hat mich in den Kes­sel gelas­sen. Aber zu reden war mit den Poli­zis­ten nicht. Die haben alle bis nach 18 Uhr fest­ge­hal­ten und erken­nungs­dienst­lich behandelt.

Name des Zeu­gen bekannt