Nun ist es wieder soweit: überall lächelnde Gesichter am Straßenrand, Luftballons und Fähnchen in der Fußgängerzone, dümmliche Sprüche in der Zeitung. Am 25. Mai 2003 finden in Bremen und Bremerhaven die Wahlen zur Bremer Bürgerschaft und zu den Bremer Stadtteilbeiräten statt. Das heißt aber auch: rassistische Hetze im Straßenbild, rechtspopulistische Propaganda vor Einkaufsläden und Nazi-Propagandamüll im Briefkasten.
Dieser Text soll die üblichen und unüblichen Verdächtigen des Parteienspektrums von Rechts bis Rechtsextrem näher beleuchten und Informationen in Bezug auf die Wahl zusammenfassen.
Um genau zu sein widmet sich dieser Überblick den Wahlaktivitäten der „Republikaner“ (REP), der „Deutschen Partei“ (DP), der „Partei Rechtsstaatliche Offensive“ (PRO, auch „Schill-Partei“), der „Deutschen Volksunion“ (DVU) sowie der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD).
Die DVU ist die einzige dieser Parteien, die zur Zeit in der Bremer Bürgerschaft vertreten ist, was sie einer Besonderheit im Wahlsystem des Bundeslandes Bremen zu verdanken hat: danach reicht es für den Einzug in das Landesparlament bereits aus, die 5%-Hürde in einer (!) der beiden Städte Bremen und Bremerhaven zu überspringen. Genau dies ist der DVU zum wiederholten Male auch bei der letzten Bürgerschaftswahl am 6. Juni 1999 gelungen.
DIE REPUBLIKANER: Untergang auf Raten
Zuerst die gute Nachricht: Die Bremer Republikaner werden nicht zur Bürgerschaftswahl antreten. Die schlechte: zur Beiratswahl schon, allerdings nur im Stadtteil Walle.
Auf einer Mitgliederversammlung am 22. Februar wurden mit tatkräftiger Unterstützung von Uschi Winkelsett (stellvertretende REP-Bundesvorsitzende) die Kandidaten für die Beiratswahl aufgestellt: auf Platz 1 das REP-Fossil Peter P. (56), auf Platz 2 der Student Harald Wiese (26).
Warum gerade Walle wird sich hier manch eine/r fragen, eine offizielle Antwort blieben die REP-Rassisten auf ihrer „Internetz-Präsentation“ bisher schuldig. Der Wohnsitz ihres „Spitzenkandidaten“ P. (Bremen-Walle) ist jedoch eine einleuchtende Begründung.
DEUTSCHE PARTEI: Scheintotenclique auf Stimmenfang
Auf dem Bundesparteitag der Deutschen Partei am 28. April 2002 in Fulda belebte sich der wertkonservative Haufen nach mehreren Jahrzehnten politischer Nichtexistenz selber wieder. Die Bürgerschaftswahl in Bremen soll nun die aktive Rückkehr in die Politiklandschaft einläuten. Aus 3 Mitgliedern Mitte 2002 ist angeblich mittlerweile ein „handlungsfähiger Landesverband“ entstanden, der auf seiner Homepage allen Ernstes davon träumt, an Bremer Wahlergebnisse von bis zu 18% in den Nachkriegsjahren anzuknüpfen. Auf der Wahlliste finden sich 23 Namen wieder, von denen einige mit anderen Inseln im braunen Sumpf in Verbindung stehen. Der Landesvorsitzende Reinhold Thiel gehört beispielsweise dem Bremer Landesverband des „Bund der Vertriebenen“ sowie der „Pommerschen Landsmannschaft“ an, Manfred Laue ist der Ehemann der Sekretärin der Bremer Schillpartei und Reinhard Willnow war Mitte der neunziger Jahre nicht nur an der Bundeswehr-Hochschule tätig, sondern fungierte auch als Pressesprecher der Republikaner.
Themenbereiche sind ein „positives Bekenntnis zum Staat“, der „Erhalt unserer christlich-abendländischer Kultur“, das „Recht auf Heimat“ und natürlich das „Durchsetzen von Recht und Ordnung“ = „innere Sicherheit“.
Seit einigen Monaten gibt es gelegentliche Anzeigen in regionalen Tageszeitungen, spärlich besuchte Informationsabende und große Töne im Internet: „Am besten nehmen sie sofort Kontakt zur Deutschen Partei auf, die am 25. Mai mit einer starken Fraktion in die Bremische Bürgerschaft einziehen wird.“
Am 22. März gab es zudem einen Infostand der „Nationalkonservativen“ in der Bremer Innenstadt, der von einigen aufmerksamen Bürgern eine Zeit lang gestört wurde.
SCHILL-PARTEI: Alle wollen dasselbe...
Nach dem Wahlerfolg der Schill-Partei bei der Landtagswahl in Hamburg im September 2001 fand sich in den folgenden Monaten auch in Bremen ein erbärmliches Häuflein populistischer Unsympathen zusammen. Am 9. Juni 2002 wurde dann ein Bremer Kreisverband, einen Tag später ein Ortsverband Bremerhaven gegründet. In der folgenden Zeit fiel der Verein hauptsächlich durch extrem schlecht besuchte Veranstaltungen sowie eine Art „Demonstration“ am 14. September auf, 13 Schill-Anbeter und ein Kleinkind gingen von einem massiven Polizeiaufgebot beschützt gegen Kriminalität in Bremen auf die Straße. Wenige Wochen später scheiterte die Gründung eines Landesverbandes, da zu wenige Mitglieder anwesend waren. Am 23. Februar fand dann der Bundesparteitag der „Schillianer“ in Bremen-Nord statt, der neu gewählte Bundesvorsitzende Mario Mettbach will Bremen nun bei der Bürgerschaftswahl „mit Volldampf erreichen“. Entsprechend großmäulig sind die Töne der rechtsstaatlichen Jauchegrube um den 32-jährigen BKA-Bullen und Bremer Spitzenkandidaten Jan Timke und das zweite Ex-Mitglied der Bremer „Statt-Partei“, Jörg Wenzel.
Aufgefallen ist Timke 1996 durch eine Anzeige gegen „Die Toten Hosen“ wegen Beamtenbeleidigung. Er beanstandete die Textzeile „Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Bullen um, wenn es nicht mehr anders geht...“ in ihrem Lied „Bonnie & Clyde“. Erfolg hatte der Kunstbanause Timke damit zum Glück nicht. Der Sänger der Hosen, Campino, kommentierte die Anzeige damals folgendermaßen: „Gut, OK, ich muss zugeben: nicht alle Polizisten sind Bullen – ein paar von ihnen sind auch Schweine!“
Dem können wir uns nur anschließen und hoffen für Herrn Timke, dass er nicht gewählt wird, ein so zerbrechliches Blümchen wie er könnte beim manchmal sehr rüden Umgangston auf der politischen Bühne schnell verwelken.
DVU: Mit Multimillionär Frey gegen „Politik-Bonzen“
Die „Deutsche Volksunion“ hat in Bremen eine vergleichsweise lange Geschichte. Schon 1987 gelang ihr (in einem Wahlbündnis mit der NPD) der Einzug in die Bürgerschaft (1 Abgeordneter), der erste Einzug in ein Parlament überhaupt. 1991 konnte sie ihre Wahlergebnisse mit 6,2% (Bremen) bzw. 10,6% (Bremerhaven) sogar verdoppeln, von nun an gab es 6 DVU-Abgeordnete. Die folgende Zeit war neben notorischer Abwesenheit in den Parlamenten und Beiräten vor allem von haarsträubenden Skandalen und Betrügereien der DVU-Abgeordneten geprägt. So stellte sich 1992 beispielsweise heraus, dass von monatlich etwa 45.000 DM Fraktionsgeldern innerhalb von 3 Monaten nur 1,65 DM(!) für politische Zwecke ausgegeben wurde. Wo die restlichen mehr als Hunderttausend DM geblieben waren, konnte nie ganz geklärt werden.
Ein damaliger Abgeordneter der DVU kaufte sich aus Fraktionsmitteln außerdem beispielsweise eine Waschmaschine (deklariert als Aktenvernichter), Gartenmöbel, Damen-Oberbekleidung, eine Zahnprothese sowie eine Brille für seine Ehefrau. Der DVU-Abgeordnete Peter Nennstiel hatte ein Verfahren wegen Betruges am Hals, weil er sich durch falsche Einkommensangaben eine Sozialwohnung erschlichen haben soll. Nach nicht einmal der Hälfte der Legislaturperiode verlor die DVU dann 1993 den Fraktionsstatus: 1 Abgeordneter starb, 3 andere traten nach kurzer Zeit wieder aus (darunter Klaus Blome, ein freier Mitarbeiter des Verfassungsschutzes).
1995 kam die DVU nur noch auf 2,5% der Stimmen und war damit nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten.
Obwohl sich dieses Ergebnis 1999 nicht wesentlich geändert hat (3% landesweit), sitzt seit 1999 mit Siegfried Tittmann aus Bremerhaven wieder ein DVUler in der Bremer Bürgerschaft, da im Wahlbezirk Bremerhaven die 5%-Hürde knapp übersprungen wurde, was für den Einzug ins Parlament ausreicht.
Bei den Beiratswahlen in der Stadt Bremen konnte die DVU 1991 11, 1995 6 und 1999 immerhin noch 5 der ingsgesamt 330 Sitze aller Stadtteilbeiräte erringen.
Millionenschwerer DVU-Wahlkampf in Bremen/Bremerhaven bedeutet auch dieses Jahr wieder DVU-Parolen auf großflächigen Plakattafeln und Litfasssäulen, Flugzeuge über der Stadt und persönlich an ErstwählerInnen adressierte rassistische Hetze. Möglich wird dies, da die Städte Bremen/Bremerhaven der DVU die gewünschten Daten aus dem Melderegister (Vor- und Nachname, akademischer Grad, Anschrift) auf CD zur Verfügung stellen.
Die Kandidatenliste der DVU umfasst dieses Jahr weitgehend alte Gesichter. Neu ins deutschnationale Boot geholt werden konnte die 26-jährige Arzthelferin Irina Tadday, die im Wahlkampf nach DVU-Angaben die Rolle der „charmanten jungen DVU-Bewerberin“ übernehmen soll.
NPD: Und was ist mit der NPD?
Die NPD wird nach Aussagen ihres Berliner Parteivorstandes im Jahr 2003 an keiner einzigen Landtagswahl teilnehmen. Man wolle sich voll und ganz auf das laufende Verbotsverfahren konzentrieren (was sich mittlerweile dank der Arbeit des deutschen Geheimdienstes „Verfassungsschutz“ erledigt hat), hieß es noch vor wenigen Monaten. Außerdem konzentriere man sich im Jahr 2004 auf einige wenige Landtagswahlen, u.a. im Saarland und in Sachsen-Anhalt, sowie auf die Europawahl, um die Basis vor demoralisierenden Wahlergebnissen im unteren Prozentbereich zu verschonen.
Der Bremer Bevölkerung kann das Nicht-Antreten der Bremer NPD und ihres nachwachsenden Nationalistenpacks „Junge Nationaldemokraten“ nur Recht sein: keine rassistische NPD-Hetze im Stadtbild, keine dümmlichen Parolen auf dem Wochenmarkt, keine von der Polizei wegen eines halbstündigen Fußmarsches von knapp unter 14 NPD/JN-Affen weiträumig abgesperrten Wohnbezirke wie im Herbst 2002 vor der Bundestagswahl.
Wir sind dennoch gespannt womit sich der Verein um den verurteilten Volksverhetzer Jörg-Hendrik Wrieden und Junior-Großmäuler wie Daniel Fürstenberg und Andreas Hartfiel demnächst die Zeit vertreiben wird.
Und was hat das alles mit mir zu tun?
Wenn Wahlen etwas ändern würden...
...wären sie längst verboten. Fast jedeR kennt diesen Satz, er beschreibt die Kritik an der Parlamentarischen Demokratie treffend wie kaum ein anderer. Wahr ist aber auch: Wenn Nicht-Wählen etwas ändern würde, wäre es genauso verboten. Was oder wer immer die herrschenden Zustände radikal ablehnt, in Frage stellt oder angreift, kommt über kurz oder lang mit den Gesetzen in Konflikt und wird entsprechend „behandelt“.
Wir halten es deshalb für ziemlich nebensächlich, ob man Wahlen generell boykottieren sollte, alle 4 Jahre das kleinste der großen Übel wählt, oder ob man den 25. Mai 2003 mit FreundInnen am See verbringt. Wenn du etwas verändern willst, musst du es erstens sowieso selber tun, zweitens häufiger als alle 4 Jahre und drittens anders als durch das Malen eines kleinen Kreuzes auf einem Stück Papier.
Im Alltag heißt das z. B.: mach den Mund auf wenn du rassistische Sprüche, Nazi-Scheiße oder frauenfeindliche Äußerungen hörst, tu dich mit anderen zusammen und unternimm was gegen Nazis und ihre Ideologie.
In Wahlkampfzeiten heißt das außerdem, rassistische Hetze und anderen Dreck nicht zu ignorieren („geht mich ja nichts an“), sondern abzureißen, kaputtzumachen, überzumalen, zu verhindern. Kurz: rechter Ideologie keinen Raum zu lassen sondern sie aktiv zurückzudrängen.
FIGHT THE RIGHT ONES!
Wahlkampfimpressionen aus Bremen, Mai 2003: