1. Juni 2014, Bremen. Im Rahmen einer bundesweiten Tour sprechen die beiden Salafisten-Wanderprediger Pierre Vogel und Sven Lau vor mehreren Hundert Zuhörer_innen auf einer Kundgebung vor dem Überseemuseum am Bremer Hauptbahnhof. In mehreren Städten tauchten bei ähnlichen Veranstaltungen bereits Nazis und rechte Islamgegner_innen auf, auch in Bremen kündigten sich im Vorfeld Gruppen wie die „German Defence League“ (GDL) an.
Letztendlich ist der Bahnhofsvorplatz dann auch mit mehreren Polizei-Hundertschaften reichlich abgeriegelt. Als sich eine größere, aber lose Gruppe aus Politnazis, Saufnazis, Nazihools samt Umfeld und sonstigem Anhang an den Absperrungen sammelt, wird sie kurze Zeit später von der Polizei umstellt und löst sich recht ergebnislos auf. Die Reste lungern daraufhin noch eine Zeitlang in den Ecken des Bahnhofareals herum, bevor sie sich endgültig zerstreuen.
Neben bekannten Nazivortänzern wie Andreas Hackmann und Markus Privenau lässt sich auch ein alter Bekannter namens Ulrich Droste mal wieder blicken. Droste (Jahrgang 1963) war bereits Anfang der 80er Jahre in der Bremer Naziszene unterwegs, u.a. bei der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) unter der Führung von Michael Kühnen. Des weiteren beteiligte er sich (gemeinsam mit anderen regionalen Nazis wie Markus Privenau) an der rassistischen „Initiative für Ausländerrückführung Bremen“ (IfAB). Er war damals nicht nur als Nazihool unterwegs, sondern von 1997–2001 auch Bestandteil der Bremer NPD/JN-Struktur bzw. der „Kameradschaft Bremen“.
Nach der Jahrtausendwende beteiligte sich Droste noch an Aktivitäten der „Kameradschaft Weser-Ems“, war in der Folgezeit Szenegerüchten zufolge aber immer häufiger mit Ausnüchtern beschäftigt und fiel in der Folge kaum nennenswert auf (nach einem Angriff auf Antifas in Verden wurde er bereits vor 12 Jahren hier mit Foto erwähnt – vermutlich eines der ersten Naziportraits auf dieser Webpräsenz überhaupt).
Mal wieder auffällig geworden im rechten Potpourri am 1. Juni ist auch Marco Dolata (geboren 1985), der schon vor mehreren Jahren der Schwaneweder Naziszene entsprang. Seitdem nahm er immer wieder an Nazi-Aktivitäten teil, so z. B. an den Aufmärschen am 1. Mai 2008 in Hamburg oder im März 2009 in Osnabrück. 2010 besuchte er dann, mittlerweile Mitglied der Nazi-dominierten „Farge Ultras“, ein „Kategorie C“-Konzert in Blender.
Auch eine kleine Gruppe von Bremer und Niedersächischen GDL-lern schaut sich das Spektakel aus sicherer Entfernung an.
Vor dem Bahnhof verteilen Antifas währenddessen Flugblätter, aus deren Inhalt wir hier zitieren:
„Heute spricht vor dem Überseemuseum in Bremen der fundamentalistische Prediger Pierre Vogel. Bei Pierre Vogel handelt es sich um einen Anhänger der salafistischen Glaubensgemeinschaft. Diese steht für eine besonders rigorose Auslegung des muslimischen Glaubens.
Seine Auftritte sind immer auch Anlass für Rassist*innen aller Couleur ihre Ressentiments gegen „nicht-deutsche“ Menschen zu verbreiten. Dazu gehören sowohl die sogenannten „German Defence League“, als auch rechte Hooligan-Gruppen und rechte Parteien, usw.
Auch wenn sich diese beiden Gruppierungen bekämpfen, sind sie auf einer Skala der Beschissenheit auf einem ziemlich ähnlichen Level. Sowohl die Standpunkte von Salafisten als auch die von Rassist*innen und Neonazis sind aus emanzipatorischer Sicht unvereinbar mit dem Prinzip der Gleichberechtigung aller Menschen.
Mit dem Ziel der Errichtung eines patriarchal-strukturierten Gottesstaates propagieren die Salafisten die Ungleichheit der Geschlechter, Frauenfeindlichkeit und Homophobie. Damit einher geht eine strikte Ablehnung alles Individuellen und eine Ausrichtung des Lebens auf ein Leben nach dem Tod durch permanente Gottgefälligkeit. Sie laden die religiöse Identität von Muslimen und Muslima politisch auf, und instrumentalisieren diese für ihre reaktionäre und menschenverachtende politische Agenda. Antisemitismus und ein autoritäres Weltbild werden als Elemente einer „göttlichen, reinen Lehre“ propagiert, welche die ökonomischen, sozialen und politischen Probleme der bestehenden Gesellschaft aufzulösen verspricht und das Paradies als Erlösung anbietet.
Die Rassist*innen wie z.b. von „Pro Deutschland“ oder der „German Defence League“ tarnen ihren Rassismus als Kritik am Islam. Dabei geht es ihnen nicht um die Verteidigung von emanzipatorischen Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft, als vielmehr um Ausgrenzung von Menschen welche nicht ihrem Weltbild entsprechen. Hierbei bedienen sie sich kulturrassistischer Elemente welche allen durch ihren gedachten Biologismus vermeintlich „nicht-Deutschen“ eine Zugehörigkeit zum Islam unterstellt.
Auch wenn wir diesen irrationalen Wahnsinn nicht verhindern können, möchten wir ihn dennoch nicht unkommentiert lassen. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die nicht auf Ideologien von Ungleichheit aufbaut und nicht auf der Verwertbarkeit des Lebens basiert. Wir wollen eine Gesellschaft in der die Menschheit ihre materiellen Bedürfnisse im Diesseits befriedigen können.
Gegen Fundamentalismus!
Für eine säkulare Gesellschaft!
Gegen Rassismus!
Für eine solidarische Gesellschaft!“
Siehe auch:
Rechte gegen Rechte (taz)
350 Teilnehmer bei Kundgebung (Weser Kurier)