23. Januar 2004, Achim. Ca. 40 Antifas verteilen in der Nachbarschaft von Dieter Fricke Flugblätter, um über seine Aktivitäten in der „Unabhängigen Bürgergemeinschaft“ aufzuklären. Diese organisiert seit geraumer Zeit rechtskonservative Vortragsveranstaltungen in der Region Achim. Achim, die weseraufwärtsgelegene niedersächsische Nachbargemeinde Bremens, scheint sich zu einem Schwerpunkt rechtskonservativer und faschistischer Aktivitäten zu entwickeln. Dies lässt sich im Wesentlichen an den aktuellen Umtrieben der „Unabhängigen Bürgergemeinschaft“ und der JN/NPD in Verden/Rotenburg festmachen.
Die „Unabhängige Bürgergemeinschaft“ ist quasi eine Vorfeldorganisation des rechtskonservativen REP/Junge Freiheit-Spektrums im Achimer Raum. Hauptinitiatoren sind die Achimer Unternehmer Dieter Fricke (Autor in der „Jungen Freiheit“) und Heinrich Rathjen.
Aufgetreten sind sie seit 2002 durch regelmäßige öffentliche Vortragsveranstaltungen im Achimer „Hotel Gieschen“, wo bereits Ende der 80er Jahre Vorträge der NPD stattfanden. Die Liste der geladenen Referenten ist nicht ohne und drückt nochmal kräftig aus, in welchem Rahmen sich die Initiatoren bewegen und welche Inhalte vermittelt werden sollen:
- 2003: Der Chef des „Kärntener Heimatschutzes“ Josef Feldner referiert.
- Februar 2003: Diavortrag des rechtsextremen ehemaligen Herner Stadtarchivars Olaf Rose.
- Mai 2003: der Vertriebenenspitzenfunktionär Paul Lattusek spricht.
- Juni 2003: Ex-REP Karl Wolfgang Holzapfel referiert zum Thema „17. Juni 1953 und deutscher Freiheitskampf“.
- September 2003: Wolfgang Schrauth mit einem Vortrag unter dem Titel „Islamisierung in Deutschland – Bedrohung der Demokratie“, dort kam es zum Eklat als er davon sprach dass man „die in Deutschland lebenden Türken eliminieren“ müsse. Anwesende kritische Zuhörer ließen die Veranstaltung platzen, gegen den Redner wurden Anzeigen wegen Volksverhetzung gestellt. Kurz darauf gab es einen ausführlichen Hintergrundbericht beim lokalen Nachrichtenmagazin „Buten & Binnen“.
- Auch danach gingen die Vorträge unvermindert weiter, allerdings musste seitdem mehrmals das Hotel gewechselt werden.
- Bei der Novemberveranstaltung zum Thema „Deutsche Sprache...“ versuchte sich dann auch die Verdener JN/NPD-Gruppe um Florian Cordes und Sven Wellhausen zu profilieren.
Zu den Vorträgen erschienen zuletzt bis zu 50 ZuhörerInnen. Neben Achimer BürgerInnen saß mittlerweile das gesamte Spektrum des rechtsradikalen Randes aus der Bremer Region im Publikum: JN/NPDler, REPs, DVUler (wie die Bremer Landesvorsitzende Elfriede Budina) und meist eine Abordnung der Bremer „Freien Nationalisten“ (z. B. Andreas Hackmann, H.J. Varnhorn und andere). Mit von der Partie war natürlich auch der Verdener Kreis von Altnazis um Rigolf Hennig und Jan Hus. Währenddessen umkreiste der Verdener Staatschutz mit seinem blauen Mercedes das Veranstaltungslokal auf der Suche nach linken VersammlungsgegnerInnen.
Achim als Zielgebiet haben sich auch die Nazis der JN/NPD Verden/Rotenburg ausgesucht. Seit Sommer 2003 hat die Zahl faschistischer Aktivitäten im Achimer Raum massiv zugenommen:
- August 2003: Die NPD meldet eine Demo an, die aber verboten wird.
- September 2003: 7 JN/NPDler können dank massiven Polizeischutzes eine „Mahnwache“ auf dem Achimer Markt durchführen.
- November 2003: Ungefähr 10 JN/NPDler versuchen an den offiziellen Volkstrauertagsaktivitäten der Stadt Achim teilzunehmen, werden allerdings von der Polizei des Platzes verwiesen und müssen ihren Kranz mit der Aufschrift „Wir gedenken unseren gefallenen Helden der Wehrmacht und der Waffen-SS“ woanders ablegen.
- 6. Dezember 2003: Der jüdische Friedhof und eine Schule in Achim werden mit Naziparolen, Hakenkreuzen und ähnlichem beschmiert, woraufhin die „geistigen Brandstifter“ der „Unabhängigen Bürgergemeinschaft“ Rathjen und Fricke 1000 Euro für die Ergreifung der TäterInnen aussetzen.
- Ende 2003: Wiederholt werden an Schulen im Kreis Verden Flugblätter von JN-Nazis verteilt.
- Seit Herbst 2003 kam es mehrmals zu Übergriffen von Nazis im Raum Achim/Verden, ebenso werden massiv Aufkleber – meist JN/NPD – verklebt.
- Die JN/NPD Verden-Rotenburg betreibt eine eigene Homepage auf der sie ihre Aktivitäten abfeiert. Anmelder dieser Seite ist Sven Wellhausen aus Blender. Wellhausen ist auch der offizielle Vortänzer der Gruppe. Er ist seit mehreren Jahren als Nazi bekannt, meist im Zusammenhang mit Aktivitäten der JN und der „Freien Nationalisten Weser-Ems“.
Im Hintergrund ziehen Florian Cordes und Robert Warnecke die Fäden. Beide waren bis 2002 im südlichen Bremer Umland (Brinkum und Kirchseelte) die Drahtzieher der meisten rechtsextremen Aktivitäten. Nachdem dort allerdings ihre Fahnen ziemlich untergegangen sind, versuchen sie es jetzt offensichtlich im Osten Bremens erneut. Cordes, der ursprünglich aus Oyten kommt und nach mehreren antifaschistischen Aktionen fluchtartig die Region verließ, soll wieder im Raum Achim wohnen. Auch Warnecke hat sich hier angesiedelt, zuletzt in Schwarme. Nach einigem privaten Ärger (der „gute Familienvater“ ließ Frau Bianca, ebenfalls eine Rechte, und seine drei Kinder sitzen) scheint er sich nun wieder in Nazi-Aktivitäten zu stürzen. Beim Naziaufmarsch in Lüneburg am 29.11.2003 brachte er auch gleich seine neue Freundin mit (siehe Foto 8).
Weitere Mitglieder der Gruppe kommen aus dem gesamten Kreis Verden und sind dort bereits einschlägig aufgefallen, so z. B. Malte Bormann, der bereits auf linke Jugendliche mit einem Zimmermannshammer einschlug.
Auch in den Raum Rotenburg haben sich die Aktivitäten ausgeweitet, z. B. gab es Infostände in Zeven und Bremervörde. Dieser Kreis mobilisiert immer mehr und immer jüngere Neonazis zu Aufmärschen im norddeutschen Raum zuletzt auch nach Hamburg (hier waren es zirka 15).
Es ist offensichtlich, dass nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren die Aktivitäten der Partei und ihres Umfeldes wieder hochgefahren werden. Die aktivste Gruppe im Bremer Land ist derzeit im Raum Verden unterwegs und wirkt auch auf umliegende Landkreise. Leider werden wieder einige „orientierungslose Jugendliche“ die Erfahrung machen müssen, dass nationalistische, rassistische Aktivitäten unerwünscht und letztlich erfolglos sind und außerdem für den Einzelnen schwer nach hinten losgehen können.
Davor werden sie auch die Durchhalteparolen ihrer Führungskader letztlich nicht bewahren können, für diese sind sie eh nur frisches Kanonenfutter im Versuch sich in den hierarchischen Strukturen der Naziszene nach oben zu arbeiten.
Für Informationen jeder Art sind wir wie immer dankbar.