Am 13. Mai 2007 finden wieder Wahlen zur Bremer Bürgerschaft und zu den Bremer Stadtteilbeiräten statt. Für die nächsten vier Wochen bedeutet dies leider unter anderem wieder rassistische Hetze im Straßenbild, Nazi-Propaganda vor Einkaufszentren und rechter Propagandamüll im Briefkasten. Dieser Text soll die üblichen und unüblichen Verdächtigen des Parteienspektrums von Rechts bis Rechtsextrem näher beleuchten und Informationen in Bezug auf die Wahl zusammenfassen.
Insgesamt treten dieses Jahr drei rechtsextreme Parteien/Wählervereinigungen an: Die DVU (unterstützt von der NPD), die Republikaner und die Wählervereinigung „Bremen muss leben“.
Die Deutsche Volksunion (DVU)
Die Zusammenarbeit zwischen DVU und NPD im Hinblick auf Landtagswahlen ist im sog. „Deutschland-Pakt“ geregelt. Hier haben die Vorsitzenden beider Parteien – Gerhard Frey und Udo Voigt – sich darauf geeinigt, nicht gegeneinander anzutreten. Für jedes Bundesland wurde geregelt, welche der beiden Naziparteien antritt. Im Land Bremen ist dies diesmal nur die DVU.
Die Deutsche Volksunion hat in Bremen eine vergleichsweise lange Geschichte. Schon 1987 gelang ihr (in einem Wahlbündnis mit der NPD) der Einzug in die Bürgerschaft (1 Abgeordneter), der erste Einzug in ein Parlament überhaupt. 1991 konnte sie ihre Wahlergebnisse mit 6,2% (Bremen) bzw. 10,6% (Bremerhaven) sogar verdoppeln, von nun an gab es 6 DVU-Abgeordnete. Die folgende Zeit war neben notorischer Abwesenheit in den Parlamenten und Beiräten vor allem von haarsträubenden Skandalen und Betrügereien der DVU-Abgeordneten geprägt. So stellte sich 1992 beispielsweise heraus, dass von monatlich etwa 45.000 DM Fraktionsgeldern innerhalb von 3 Monaten nur 1,65 DM (!) für politische Zwecke ausgegeben wurde. Wo die restlichen mehr als Hunderttausend DM geblieben waren, konnte nie ganz geklärt werden.
Ein damaliger Abgeordneter der DVU kaufte sich aus Fraktionsmitteln beispielsweise eine Waschmaschine (deklariert als Aktenvernichter), Gartenmöbel, Damen-Oberbekleidung, eine Zahnprothese sowie eine Brille für seine Ehefrau. Nach nicht einmal der Hälfte der Legislaturperiode verlor die DVU dann 1993 den Fraktionsstatus: 1 Abgeordneter starb, 3 andere traten nach kurzer Zeit wieder aus (darunter Klaus Blome, ein freier Mitarbeiter des Verfassungsschutzes).
1995 kam die DVU nur noch auf 2,5% der Stimmen und war damit nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten.
Obwohl sich dieses Ergebnis 1999 nicht wesentlich geändert hat (3% landesweit), sitzt seit 1999 mit Siegfried Tittmann aus Bremerhaven wieder ein DVUler in der Bremer Bürgerschaft, da im Wahlbezirk Bremerhaven die 5%-Hürde knapp übersprungen wurde, was für den Einzug ins Parlament ausreicht. Dieses Ergebnis änderte sich bei der letzten Wahl 2003 nur unwesentlich: landesweit zwar nur knapp über 2%, aber in Bremerhaven über 7%, also immer noch einen Sitz in der Bremer Bürgerschaft.
Millionenschwerer DVU-Wahlkampf in Bremen/Bremerhaven bedeutet auch dieses Jahr wieder tausende DVU-Plakate und persönlich an ErstwählerInnen adressierte rassistische Hetze. Möglich wird dies, da die Städte Bremen/Bremerhaven der DVU (wie jeder anderen Partei auch) die gewünschten Daten aus dem Melderegister (Vor- und Nachname, akademischer Grad, Anschrift) zur Verfügung stellen.
Die Republikaner (REP)
Auch die Bremer Republikaner werden dieses Jahr – im Unterschied zu 2003 – wieder zur Bürgerschaftswahl antreten. Ganz vorne in der Gruppe der republikanischen Kandidaten-Saubermänner: Peter Nennstiel. Dieser war noch Anfang der 90er Jahren für die DVU in der Bürgerschaft aktiv, wo er unter anderem für Aufsehen sorgte, indem er sich durch falsche Einkommensangaben eine Sozialwohnung zu erschleichen versuchte – Folge war ein Betrugsverfahren. Weitere Kandidaten dieses Jahr sind die Bremer REP-Altlast Peter P. aus Bremen-Walle und Harald Wiese.
„Inhaltlich“ glänzt der hellbraune Haufen aktuell unter anderem mit Slogans wie „DEUTSCH ist GEIL“, „DEUTSCH statt nix verstehen“, „Protest jetzt!“ oder „Abzocker stoppen“ (womit sich der Kreis zum Spitzenkandidaten Nennstiel wieder schließt).
Glücklicherweise ist die Halbwertzeit der Nazi-Propaganda oftmals nicht allzu lang. Dies wird auch der Grund für einen Aufruf der Bremer REPs unter dem Titel „Plakatklau stoppen!“ gewesen sein, in dem sie auf ihrer Internetseite 50 Euro Belohnung für die Mithilfe bei der Verfolgung der „Plakatklauer“ bieten.
Zitat von der REP-Seite (Schreibfehler im Original, von wegen „DEUTSCH statt nix verstehen“):
„Wenn Sie, lieber Bürger, Kriminelle beim Plakatklau sehen:
- Merken Sie sich ihren Aufenthalsort sowie Erkennungsmerkmale der Täter (Kleidung, Frisur, KFZ-Kennzeichen).
- Machen Sie, wenn möglich, Bilder.
- Rufen Sie die Polizei.
- Benachrichtigen Sie uns.“
Das kann natürlich nicht so stehen gelassen (bzw. hängen gelassen) werden. bremen.antifa.net startet deshalb ab sofort eine Gegenkampagne und ruft dazu auf, Informationen über die Personen, die die Plakate aufhängen, zu melden. Belohnung: schlappe 100 Euro.
Wenn Du, lieber Mensch, Nazis beim Plakate-Aufhängen siehst:
- Merke Dir ihren Aufenthaltsort sowie Erkennungsmerkmale der Nazis (Kleidung, Frisur, KFZ-Kennzeichen).
- Mach, wenn möglich, Bilder.
- Rufe NICHT die Polizei.
- Benachrichtige uns bitte.
„Bremen muss leben“
Neu in der Bremer Wahllandschaft ist die rechtspopulistische Wählervereinigung „Bremen muss leben“, der Bremer Ableger der „Deutschen Konservativen“ unter der Führung des Ex-Bremers Joachim Siegerist. Dieser hat eine längere Geschichte im rechten/rechtsextremen Spektrum vorzuweisen. Unter anderem wurde er wegen Volksverhetzung zu 21 Monaten auf Bewährung verurteilt und organisierte Spendensammlungen für ehemalige Angehörige der Waffen-SS.
Die neuen Anhänger von Siegerist sind zu großen Teilen die alten Versager und Hetzer aus den ehemaligen Kreisen von Schill-Partei, der rechten Gruppierung „Aufrechter Gang“, u.ä.
Mit tausenden Postwurfsendungen und Anrufen geht die Wählervereinigung aktuell auf Stimmenfang, erklärtes Ziel sind allen Ernstes 25% der Stimmen. Bisher fanden mehrere Veranstaltungen statt auf denen darüber schwadroniert wurde, wie das „stolze Bremen“ denn „sicher, sauber und schuldenfrei“ werden könne.
Wenn Wahlen etwas ändern würden...
...wären sie längst verboten. Fast jedeR kennt diesen Satz, er beschreibt die Kritik an der parlamentarischen Demokratie treffend wie kaum ein anderer. Wahr ist aber auch: Wenn Nicht-Wählen etwas ändern würde, wäre es genauso verboten. Was oder wer immer die herrschenden Zustände radikal ablehnt, in Frage stellt oder angreift, kommt über kurz oder lang mit den Gesetzen in Konflikt und wird entsprechend „behandelt“.
Wir halten es deshalb für ziemlich nebensächlich, ob man Wahlen generell boykottieren sollte, alle 4 Jahre das kleinste der großen Übel wählt, oder ob man den 13. Mai 2007 mit FreundInnen am See verbringt. Wenn du etwas verändern willst, musst du es erstens sowieso selber tun, zweitens häufiger als alle 4 Jahre und drittens anders als durch das Malen eines kleinen Kreuzes auf einem Stück Papier.
Im Alltag heißt das z. B.: mach den Mund auf wenn du rassistische Hetze und Nazi-Sprüche oder frauenfeindliche Äußerungen hörst, tu dich mit anderen zusammen und unternimm was gegen Nazis und ihre Ideologie.
In Wahlkampfzeiten heißt das außerdem, rassistische Hetze und anderen Dreck nicht zu ignorieren („geht mich ja nichts an“), sondern abzureißen, kaputtzumachen, überzumalen, zu verhindern. Kurz: rechter Ideologie keinen Raum zu lassen sondern sie aktiv zurückzudrängen.
FIGHT THE RIGHT ONES!